Ausgezeichnete Literatur aus aller Welt
Der Internationale Literaturpreis
Das Haus der Kulturen der Welt – kurz HKW – prämiert jedes Jahr mit dieser Auszeichnung Autor*innen von Gegenwartsliteratur und deren Übersetzung. Aber nicht nur das HKW allein entscheidet über die Gewinner*innen. In einem Zusammenspiel mit der Stiftung Elementarteilchen und einer ausgewählten Jury wird zunächst eine Shortlist mit sechs Werken erstellt. Diese bildet die Grundlage für Preisträger*innen.
Das Jahr der Besonderheiten
In diesem Jahr steht unter anderem wegen der Pandemie alles Kopf. In allen Lebensbereichen hat die Krise ihre Spuren hinterlassen und vor allem auch im Verlagswesen war es deutlich zu spüren. Um die nötige Unterstützung für Autor*innen zu leisten, entschloss sich das Entscheidungsgremium kurzerhand, dass alle auf der Shortlist hinterlegten Werke ausgezeichnet werden sollen. Anstelle von zwei Gewinner*innen dürfen sich nun alles sechs Autoren*innen und sechs Übersetzer*innen freuen.
Aus der öffentlichen Pressemitteilung der HKW lautet es daher wie folgt:
„Der Internationale Literaturpreis würdigt in dieser für viele Kulturschaffende prekären Situation somit nicht ein einzelnes Werk, sondern die Arbeit und Stimmen vieler.“
Die Sieger im Überblick
Am 04. Juni war es dann soweit: Die offizielle Bekanntgabe der Gewinner*innen im Sender „Deutschlandfunk Kultur“. Durch die gegebenen Umstände musste auf eine Preisverleihung im Haus der Kulturen der Welt in Berlin dieses Jahr verzichtet werden. Folgende Autoren*innen und Übersetzer*innen wurden prämiert:
Glückliche Fälle – Yevgenia Belorusets
“Glückliche Fälle” versetzt die Leser*innen in die Ukraine, ein Land des Ausnahmezustandes. Es wird ein Fenster zum Alltag, in einem von Krieg und Verwüstung heimgesuchten Land, geöffnet. Eine Verbrüderung mit Verbitterung und Trauer und inmitten dessen porträtiert Belorusets das doch so normale Leben von Frauen. Übersetzt von: Claudia Dathe.
Die Sanftmütigen – Angel Igov
Ein Rückblick ins Jahr 1944 - Bulgarische Volksgerichte im Brennpunkt. Igov thematisiert einen tabuisierten Bereich der Nachkriegszeit. Geprägt von Terrorregimen und dem Leid der bürgerlichen Elite wird hier eine Geschichte von Schuld und Sühne erzählt, welche auf historischen Quellen beruht. Übersetzt von: Andreas Tretner.
Das Weinen der Vögel – Chigozie Obioma
Chigozie trägt mit “Das Weinen der Vögel” eine Liebesgeschichte vor, welche nicht stärker von gesellschaftlichen Barrieren zerrissen sein könnte. Der Wunsch eines Hühnerbauern, über den materiellen Aufstieg zur Liebe zu gelangen. Doch es sollte eine Odyssee im Antlitz der nigerianischen Traditionen und Mythologie werden. Übersetzt von: Nicolai von Schweder-Schreiner.
Der Zirkel der Literaturliebhaber – Amir Hassan Cheheltan
Cheheltan lässt in seinem autobiografischen Werk tief in die Familiengeschichte blicken. Ein wesentlicher Bestandteil seines Lebens war, ist und bleibt die Literatur. Während vor den Toren des Elternhauses in Teheran Grausamkeit herrschte, wurde innen die Kunst gehuldigt und gepflegt. “Der Zirkel der Literaturliebhaber” verweist dabei unausweichlich darauf, welche Kraft in der Literatur liegt. Übersetzt von: Jutta Himmelreich.
Was für ein Wunder – James Noël
10 Jahre nach dem verheerenden Erdbeben in Haiti scheint James Noëls Werk “Was für ein Wunder”. Eine Lyrik voller Hoffnung, Sarkasmus, Liebe und Zerstreuung. Zwischen absurden Hilfen für ein geschütteltes Land und der Flucht aus dem Chaos wird der Protagonist Bernard auf seiner Reise begleitet. Übersetzt von: Rike Bolte.
Geile Deko – Isabel Waidner
Schrill, queer und avantgardistisch. “Geile Deko” sucht seines Gleichen auf dem Buchmarkt. Eine Metamorphose der bisherigen Literatur auf dem Weg zum eigenen Genre, zumindest wenn es nach Waidner geht. Übersetzt von: Ann Cotten.
Wegweisende Preisverleihung
Der diesjährige Internationale Literaturpreis setzt ein Zeichen für einen Zusammenhalt, den es auch außerhalb des Verlagswesens geben sollte. Durch die Auszeichnung von gleich sechs Werken und Übersetzungen wird nicht nur eine finanzielle Unterstützung gegeben, sondern auch ein symbolischer Wert vermittelt. Besondere Umstände, wie wir sie in der Pandemie mittlerweile tagtäglich erleben, bedürfen ebenso einem besonderen Umgang. Vielleicht können wir dahingehend auch bei der im Oktober angesetzten Verleihung vom Deutschen Buchpreis eine Überraschung erwarten.