Arbeitsprobe: Höflichkeit als Bestandteil der Vertrauensförderung bei interkulturellen Begegnungen: Beispielanalyse anhand eines Vertrauensprotokolls zum Aufenthalt in japanischen Gastfamilien

Erstellt von Annex vor 8 Jahren
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1 Einleitung

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2 Vertrauenskonzepte unter Berücksichtigung ihrer Anwendbarkeit

In der Wissenschaft herrscht bis zum aktuellen Zeitpunkt kein Konsens darüber, wie Vertrauen zu definieren sei. Petermann setzt seinem Werk Psychologie des Vertrauens einige Definitionen von Vertrauen voran und kommt bei einer Auflistung dieser auf 16 unterschiedliche Bestimmungen durch die Wissenschaft. (vgl. Petermann 2013, 15f.) Der anschließenden Betrachtung werden die folgenden Definitionen zu Grunde gelegt:

»Vertrauen reduziert die Komplexität menschlichen Handelns, erweitert zugleich die Möglichkeiten des Erlebens und Handelns und gibt Sicherheit« (Luhmann, 1973, zitiert nach Petermann 2013, 15)

Gerade beim Beispiel eines Auslandsaufenthalts in einer Gastfamilie wird die Notwendigkeit dieses Abbaus von Komplexität der potentiellen alltäglichen Gefahren deutlich. Ein Gastgeber würde das Risiko, dass er jemanden aufnimmt, der möglicherweise stiehlt oder sein Heim beschädigt als zu groß einstufen und sich gar nicht erst als Kandidat zur Verfügung stellen. Ein Gast würde ohne Vertrauen das Risiko in eine Familie zu geraten, die ihn als billige Putzkraft oder im schlimmsten Fall körperlich missbraucht, als zu groß einstufen und sich ebenfalls nicht auf den Austausch einlassen. Stattdessen aber setzen beide Seiten vor einem erfolgreichen Gastaufenthalt einen Vertrauensvorschuss ein, der die nötige Sicherheit gibt um ein positives gemeinsames Erleben und Handeln zu ermöglichen.

»Vertrauen basiert auf der Erwartung einer Person oder einer Gruppe, sich auf ein mündlich oder schriftlich gegebenes – positives oder negatives - Versprechen einer anderen Person bzw. Gruppe verlassen zu können.« (Rotter, 1967, 1971, zitiert nach Petermann 2013, 15)

Diese Definition gibt einen Hinweis darauf, worauf der Vertrauensvorschuss für einen Austausch basiert. Im Normalfall werden Austauschschüler oder –studenten durch etablierte Organisationen vermittelt. So ist es auch im betrachteten Fall. Durch die Bekanntheit der Organisation in Japan kann angenommen werden, dass das Vertrauen in einen unbekannten Gastschüler durch das bestehende Vertrauen in die Organisation begünstigt wird. Die Gastfamilie geht von einem einvernehmlichen Versprechen der Organisation aus, dass sie einen vertrauenswürdigen Schüler vermittelt bekommt. Ähnlich verhält es sich für den Gastschüler. Das Vertrauen in die Organisation und auch persönliches Vertrauen in die Trainer erlaubt ihm, sich auf den Austausch einzulassen.

Nach meiner Einschätzung gibt Schwegler in dem Werk Vertrauen zwischen Fremden die für den Aufenthalt in einer Gastfamilie adäquate Definition:

»Vertrauen ist der Zustand, der die Erwartung beinhaltet, dass sich eine andere Person wohlwollend verhält und die eigene Person nicht beschädigt. Weiterhin ist die Bereitschaft impliziert, sich auf eine spezifische Person zu verlassen mit dem Gefühl relativer Sicherheit« (Schwegler, 2008, S. 79)

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2.1 Grundlegende Aspekte von Vertrauen

Um die Rolle von Höflichkeit als Mittel der Vertrauensförderung bestimmen zu können, sind zunächst einige allgemeine Betrachtungen nötig, um einer Objektivierung des Vertrauensverhältnisses beim Aufenthalt in einer Gastfamilie näher zu kommen. Dazu eignet sich die differenzialpsychologische Perspektive von Schweer auf Vertrauen und soziales Handeln, denn er unterscheidet situative und personale Bedingungen von Vertrauen, die wichtige Anhaltspunkte für die Situationsanalyse liefern.

Unter der Voraussetzung, dass Vertrauen ein wünschenswerter Zustand sei und, dass Interaktanten aktive Bemühungen einsetzen könnten, um Vertrauen zu gewinnen, stellt er vier grundlegende Merkmale von Vertrauen fest (vgl. Schweer 2008, 13):

Risiko: Vertrauenshandlungen sind immer Risikohandlungen, denn mit der Entscheidung für Vertrauen wird immer ein Stückweit die Selbstkontrolle über die Situation an den vertrauenswürdig eingestuften Partner abgegeben. Vertrauen findet daher in der Regel unter Reziprozität, also der Annahme, dass die einseitige Vertrauensvorleistung erwidert wird, statt. Da die Entwicklung von Vertrauen stufenhaft, nach regelmäßigem Austausch von Vertrauenshandlungen erfolgt, ist die Betrachtung der Zeit ein wichtiger Aspekt. Dieser stufenhafte Aufbau von Vertrauen wird durch das Stufenmodell der Vertrauensbildung (Schäfer 2013, 69) untermauert und vertieft. Zuletzt fügt Schweer das Merkmal der Bereichsspezifität hinzu, welches den Grad der Intimbeziehung in Abhängigkeit des Lebensbereiches feststellt.

Der Aufenthalt in einer Gastfamilie bietet beispielsweise ein sehr hohes Risiko, denn ohne die Möglichkeit über längere Zeit Vertrauen aufzubauen, wird ein besonders intimer Lebensbereich miteinander geteilt. Ein solcher Austausch ist erfolgreich, wenn sich beide Seiten, Gastfamilie und Gast, gegenseitig ihre Vertrauenswürdigkeit beweisen. In dem vorliegenden Beispiel wird das Risiko jedoch durch den sehr kurzen Zeitraum von maximal drei Tagen des Aufenthalts relativiert.

Weiterhin setzt sich ein Vertrauensverhältnis durch drei unterschiedliche Vertrauenskomponenten zusammen. Dazu gehört die kognitive Vertrauenskomponente, die sich aus dem Wissen oder Quasiwissen über den Interaktionspartner bildet. Positive oder negative Gefühle bestimmen die affektive Vertrauenskomponente, die einen Interaktionspartner entgegengebracht wird. Die behaviorale Vertrauenskomponente bezeichnet das offene Verhalten, welches der Interaktionspartner zeigt.

Diese Komponenten werden durch situationale und personale Bedingungen geprägt. Zu den situationalen Bedingungen gehört der Grad der Symmetrie der Beziehung, der Grad der Freiwilligkeit der Beziehung, der Grad der Möglichkeit zur offenen Kommunikation, sowie die zeitliche Dauer der Beziehung (vgl. Schweer, 19f.). Personale Bedingungen erschließen sich aus der individuellen Vertrauenstendenz, der impliziten Vertrauenstheorie, sowie der Qualität des Anfangskontakts (vgl. Schweer, 20).

Für das zu untersuchende Vertrauensverhältnis in den japanischen Gastfamilien können folgende Bedingungen erkannt werden:

-          Es liegt eine asymmetrische Beziehung vor, die anthropologisch und soziokulturell bedingt ist (vgl. Henne/Rehbock 2001, 26ff) vor. Der aufgenommene Gast sollte sich in der Gastfamilie wie auch in der Familie in Deutschland nach den von den (Gast-)Eltern aufgestellten Regeln verhalten. Zudem verfügen die Gasteltern über mehr Macht, da sie die Situation eher bestimmen können (bspw. wo der Gast schläft, ob er etwas zu essen erhält, wann er das Bad benutzt).

-          Beide Vertrauenspartner gehen das Verhältnis freiwillig ein, wenngleich sie sich einander nicht vorher aussuchen konnten, so erklärten beide Seiten ihr Einverständnis für diese Situation.

-          Der Grad der offenen Kommunikation ist nicht gewährleistet, da durch unterschiedliche Sprachkenntnisse Sprachbarrieren bestehen können.

-          Die zeitliche Dauer der Beziehung relativiert das potentiell mögliche Risiko einer negativ verlaufenden Vertrauensentwicklung für beide Seiten.

-          Tendenziell weisen beide Seiten eher vertrauensgebende Züge auf.

2.2 Vertrauen innerhalb interkultureller Begegnungen

Schwegler geht für ihre Betrachtung der Vertrauensentwicklung in interkulturellen Kooperationsbeziehungen von drei abzugrenzenden Vertrauenstypen aus (vgl. Abbildung 2). Mit exklusivem Vertrauen bezeichnet sie ein Vertrauen, das ein bis zwei Personen betrifft. Die in der Definition angezeigte Erwartung des wohlwollenden Verhaltens des Gegenübers (vgl. Schwegler 2008, 79) wird hier mit Bezug auf die „organisationsrelevanten Bereiche und Situationen“ (Schwegler 2009, 141) angesetzt. Das Gefühl der relativen Sicherheit ist in dieser Dimension überwiegend und das potentielle Risiko wird vom Vertrauenden so gut wie ausgeblendet. (vgl. Schwegler 2009, 141)

Das exklusive Vertrauen wird im untersuchten Beispiel von den deutschen und japanischen Vertrauenspartnern der Organisation des Austauschs gegenüber erbracht. Für die japanischen Partner ergibt sich dieser Vertrauenstyp aus dem Ruf, den die Organisation Organisation in Japan hat. So ist beispielsweise ein Cousin des aktuellen japanischen Kaisers Akihito Präsident der Organisation (vgl. Honbu Officials 2015). Diese Annahme wird unterstützt durch Oswald, die annimmt: „Spezifisch für das Organisationsvertrauen sind also das Vertrauen, das dem jeweiligen Rollen- bzw. Funktionsträger gegenüber besteht und das Vertrauen in die Prinzipien der Organisation“ (Oswald 2010, 65). Von der deutschen Seite aus, ist ebenfalls Vertrauen in die Organisation gegeben, wenn auch in geringerem Maße. Die Vertrauensbeziehung zur Oganisation entwickelte sich für mich eher durch die enge Beziehung zu meinen Trainern und das regelmäßige Training in Deutschland[1]. Da beim Karate oft direkter Körperkontakt besteht, vertraut der Schüler darauf, dass der Trainer bei einer Übung gerade so viel Kraft einsetzt, dass die Übung effektiv ist, aber auch verhalten genug, dass keine bleibenden Schäden verursacht werden. Die Beziehung zwischen Schüler und Trainer wird somit besonders intensiv. Dieses Verhältnis wird in der Wissenschaft als Trainer-Athlet-Beziehung bezeichnet (vgl. Meinberg 2010, 193). Das Vertrauen in meine Trainer war zum damaligen Zeitpunkt so groß, dass ich zu keinem Zeitpunkt ein Risiko empfand, an dem Austausch teilzunehmen. Da meine Trainer Vertreter der Organisation in Deutschland waren, kann von einer Übertragung des personalen Vertrauens auf die Organisation ausgegangen werden. Dieser Prozess ist damals jedoch intuitiv und nicht intentional geschehen.

Den zweiten Vertrauenstyp nennt Schwegler funktionales Vertrauen. Dabei handelt es sich um „domänenspezifisches und situationsspezifisches Vertauen“ (Schwegler 2009, 141). Das Gefühl der relativen Sicherheit wird von gemeinsamen Erfahrungen bestimmt und ist daher variabel. Der Vertauenstypus erwächst aus „rationalen Überlegungen“ (Schwegler 2009, 142) und kann eine größere Anzahl an Personen betreffen.

Da vor dem ersten Kennenlernen kein Kontakt zwischen den Gastfamilien und dem Gast bestand, ist das funktionale Vertrauen in der Anfangsphase sehr gering einzuschätzen. Allerdings handelt es sich um den Vertrauenstyp, der durch die kommenden gemeinsamen Ereignisse beeinflusst werden kann. (vgl. Schwegler 2009, 141f) Insbesondere hier sehe ich den Ansatzpunkt für die Funktionalität der Höflichkeit im Vertrauensprozess. Wenn dieser Anfangskontakt glückt, kann sich funktionales Vertrauen verstärken.

Abbildung  SEQAbbildung \* ARABIC 2: Vertrauenstypen und Vertrauensdimensionen (Schwegler 2009, 142)

Den dritten und letzten Vertrauenstyp nennt Schwegler negatives Vertrauen. Dabei sind die Erwartungen in das Gegenüber von Beginn an eingeschränkt oder gleich negativ. Der Ausgang des Handelns wird als besonders unsicher empfunden, dementsprechend wird auf Kontrollmechanismen zurückgegriffen. (vgl. Schwegler 2009, 142)

Die unterschiedenen Vertrauenstypen können mit verschiedene Dimensionen genauer charakterisiert werden. Zum einen werden zehn Dimensionen bestimmt, mit denen die soziale Beziehung der Vertrauenspartner beschrieben wird. Diese beidseitige Beziehung wird durch Intensität, Initiierung, Stabilität, Kommunikation, Reziprozität, Soziale Nähe, Verstehen, Risiko, Sicherheit und Kontrolle ausgedrückt. Zum anderen werden mit den Dimensionen Anpassung, Typikalität, Ethik, Verantwortung, Kompetenz, Rolle, Loyalität und Zuverlässigkeit die personalen Charakteristika des Vertrauensnehmers beschrieben. (vgl. Schwegler 2009, 142) (vgl. Abbildung 2, S. 9) Weil Schwegler nicht näher auf diese Vertrauensdimensionen eingeht, schlussfolgere ich, dass für die anschließende Analyse von prototypischen Vorstellungen dieser Dimensionen ausgegangen werden kann.

Der Prozess der Vertrauensentwicklung findet nach den Ergebnissen von Schwegler in einem Vier-Phasen-Modell statt. Dieses setzt sich aus der Phase der Konfrontation, der Konstruktion, der Konstitution und der Konsolidierung zusammen.

In Phase 1 Konfrontation findet die Begegnung der verschiedenen Kulturen statt. Die sozial- und kulturbedingten Unterschiede prägen die Interaktion und führen zu einem beiderseitig vorsichtigen Verhalten. In dieser Situation wird oft zu Vorwissen, das man über die Kultur des Interaktionspartners hat, gegriffen. Im Sinne Luhmanns ist dies ein deutlicher Schritt zum Komplexitätsabbau. Verglichen mit Schweer erfolgt hier der Zugriff auf kognitives Vertrauen, nämlich an Quasiwissen, das über den Partner angenommen wird.

Unter der Voraussetzung, dass beide Interaktionspartner daran interessiert sind die in der konfrontativen Phase entstandenen Unsicherheiten abzubauen, kommt es zur Phase der Konstruktion. In dieser zeigen sich zwei Bewältigungsstrategien für die auftretenden Differenzen.

Abbildung  SEQAbbildung \* ARABIC 3: Phase 2 - Konstruktion (Schwegler 2009, 143)

Je nach Verhalten des Individuums kommt es zur Reduktion oder Verstärkung der Differenzen. (vgl. Schwegler, 2009) (vgl. Abbildung 3) Für die Japanreise wurden wir mit der Strategie Adaption vorbereitet. Das bestehende Prototypenwissen über Japan wurde so durch echtes kulturelles Wissen angereichert und die für den Anfang konstatierte Differenz wurde durch die Erwartung der Differenz abgeschwächt. Beispiele für die Vorbereitung sind:

·         Verbeugen beim Grüßen (Guten Morgen, Guten Tag, etc.)

·         Schuhe ausziehen vor dem Betreten eines Wohnraumes, teilweise auch schon im Foyer des Hotels oder Museums, ggf. Benutzung von bereitgestellten Hausschuhen

·         Im WC-Bereich die extra zur Verfügung gestellten WC-Schuhe benutzen (in einer Familie benutzen hier alle dasselbe Paar Hausschuhe)

·         Nutzung von Phrasen

In Phase 3, der Konstitution, tritt eine Verstärkung der während der Konstruktion entwickelten Einstellung auf und die Vertrauenstypen manifestieren sich. In der vierten und letzten Phase, genannt Konsolidierung, der Vertrauensbildung stabilisiert sich die Ausprägung der Vertrauenstypen. (vgl. Schwegler 2009, 144)

Obwohl es sich bei Schwegler um ein Modell handelt, das bei der Untersuchung von Vertrauen in interkulturellen Kooperationen, also von Geschäftsbeziehungen, ausgeht, möchte ich es dennoch auf die private Ebene anwenden, da es sich auch beim Aufenthalt in einer Gastfamilie im weitesten Sinne um eine Kooperation handelt, die darauf ausgelegt ist, nach Schweglers Ansatz von Vertrauen erfolgreich zu sein. Die Erwartung wohlwollenden Verhaltens gegenüber der eigenen Person und das Gefühl der relativen Sicherheit (vgl. Schwegler 2008, 79) ist meines Erachtens von Geschäftsbeziehungen auf private Beziehungen übertragbar.

Wenn sich nach dem Muster des Vier-Phasen-Modells eine Vertrauensbeziehung zwischen den interkulturellen Partnern entwickelt, dann entsteht ein wie in Abbildung 2 dargestelltes Vertrauensdreieck. Der Mittelpunkt ist in der Realität jedoch nicht starr, sondern verschiebbar. Daher können während der Konstitution Vertrauensbeziehungen mit unterschiedlichen Ausprägungen entstehen. Somit wird erklärt, weshalb es hilfreich sein kann, mittels funktionalen Vertrauens aktiv und intentional an der Beziehung zu arbeiten. Das Modell von Schwegler weist in diesem Punkt eine Schwäche auf, nämlich die, dass intentionales Handeln nur für funktionales Vertrauen möglich ist. Dabei ist es möglich, sich durch Reisevorbereitungen auf die kulturellen Differenzen vorzubereiten und damit negatives Vertrauen im Vorfeld abzubauen und exklusives Vertrauen zu stärken.

2.3 Vertrauensförderung

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3 Höflichkeit als sprachliches Mittel der Vertrauensförderung

Das Basiswerk der Höflichkeitsforschung stellt Politness. Some universals in language usage von Brown und Lewinson dar. Wie der Titel des Werkes bereits sagt, wird hier Höflichkeit als eine Universalie[2] angenommen. Diese grundsätzliche Überlegung möchte ich zur Begründung meiner Hypothese übernehmen. Angenommen, dass Höflichkeit, bzw. das Streben nach höflichem Verhalten, eine kulturunabhängige Universalie ist, dann würde dies erklären, weshalb sich Akteure interkultureller Begegnungen besser verstehen, wenn sie einander höflich gegenüber treten.

Als Grundüberlegung ihrer These arbeiten Brown und Levinson mit der Face-Work-Theorie von Goffman[3] (vgl. Brown/Levinson 1990; 61). Face ist ein öffentliches Selbst-Image, das jedes erwachsene Mitglied einer Gesellschaft für sich beansprucht. Jedes Mitglied ist sich des Face des anderen bewusst. Es wird angenommen, dass es ein allgemeines Ziel interpersonaler Kommunikation ist, das Face des anderen zu bewahren und, dass im Gegenzug auch das eigene Face aufrechterhalten wird. Das Face eines Individuums entspricht dem, wie es von den Rezipienten gesehen wird. (vgl. Brown/Levinson, 61)

Eine sprachliche Möglichkeit um Face-Work zu leisten, ist eine höfliche Äußerung zu machen (vgl. Brown/Levinson 1990, 70).

Auch die Gegenstandskonstitution von Vertrauen beginnt mit Face-Work, denn

„(i)ndem wir sprechen vermitteln wir ein Bild von uns, das als eine maßgebliche Variable in den Prozess der Vertrauensförderung eingeht. Obwohl das Image der Vertrauenswürdigkeit als eine Qualität der Kommunizierenden wahrgenommen wird, stellt es keine objektive Größe dar. Im Gegenteil: Vertrauenswürdigkeit eines Kommunikators ist ein Produkt der Wahrnehmung und Interpretation seiner Rezipienten.“ (Schäfer 2013, 15)

Das vermittelte Bild des Kommunikators, also sein Face, wird mit dieser Aussage explizit als Einflussfaktor auf die Vertrauensförderung festgestellt.

Mit dieser Erkenntnis ist sicher, dass sowohl Vertrauenswürdigkeit, als auch Höflichkeit zu Möglichkeiten des Face-Work gehören. Im Gegensatz zu Vertrauenswürdigkeit ist Höflichkeit kein Ziel, das durch Face-Work erreicht werden kann, sondern nur ein Mittel, um das Face zu schützen. Vertrauenswürdigkeit hingegen ist ein Bestandteil des Face, das durch die kommunikative Arbeit entsteht. Der logische Rückschluss daraus ist, dass Höflichkeit nicht nur Mittel von Face-Work, sondern ebenso als Mittel zur Abbildung der eigenen Vertrauenswürdigkeit anzusehen ist.

Diese Ansicht wird weiterhin mittels der Sprechakttheorie begründet werden. Demnach kann Sprechen als soziales Handeln gewertet werden (vgl. Auer 1999, 80ff.) Die Verwendung einer höflichen Äußerung wird somit zu einem intentionalen Mittel, mit dem das eigene Image oder das des Gegenübers konstruiert wird. Da Vertrauenswürdigkeit als ein allgemeines Ziel des angestrebten Images angesehen werden kann, ist Höflichkeit als bewusstes Mittel zum Face-Work anzusehen und wird damit als ein Mittel der Vertrauensförderung identifiziert.

Die Höflichkeitsform, oder auch der Honorativ, werden in der Sprachwissenschaft auch als „Grammatische Kodierung des sozialen (höheren) Ranges bzw. der Intimitätsbeziehung zwischen Sprecher, Hörer und Dritten“ (Bußmann 2008, 268) definiert. Im Sinne Goffmans wird auch die face-konstruierende Komponente aufgegriffen. Sowohl das Deutsche, als auch das Japanische werden im Kontext des Honorativs explizit benannt (vgl. Bußmann 2008, 269). Somit kann davon ausgegangen werden, dass Sprecher beider Sprachen zumindest innerhalb ihrer eigenen Kultur mit den jeweiligen Gebrauchsregeln der Höflichkeitsformen vertraut sind.

Bei der interkulturellen Begegnung ist es dann entscheidend, wie und ob sich die Interaktanten auf die jeweiligen Erwartungen des Partners einlassen können, um Beziehungsarbeit und somit Vertrauensförderung zu leisten.

[1] [...]

[2] Eine Universalie bezeichnet eine grammatische Eigenschaft, die in allen humanen Sprachen vorkommt (vgl. Bußmann 2008, 764).

[3] Zur Face-Work-Theorie bzw. Imagearbeit vgl. Goffman 1978.v

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