aus dem Buch "25 Jahre Donauinselfest Wien" - Reportagetext "Feuerwerk"
Die Magier des Himmels
Der „Maikäfer“ in der „Morgenröte“, der „Stromboli“ im „Abendrot“ oder die „Wasserfallbombe“ im „Paradiesgarten“ – das alles gibt’s auf der Insel. Denn einer der beliebtesten Fixpunkte seit vielen, vielen Jahren ist das Samstägliche Feuerwerk bei der Festbühne. Beinahe seit Beginn der Inselfeste ist Günter Vogler mit dabei, der unter anderem schon in Japan, Kanada und dem mondänen Monte Carlo für „Ahhhs!“ und „Ohhhs!“ aus Hunderttausenden Kehlen sorgte.
Die Begeisterung für chemische Produkte liegt in der Familie, doch es war ein weiter Weg von Opa Voglers Chemiebetrieb zur eigenen Produktion von Feuerwerkskörpern, mit der sein Enkel vor mehr als vierzig Jahren begann. Einige Jahre lang lernte Günter Vogler, heute 68jährig („der Enkel“) das Handwerk in den führenden Feuerwerkereien Europas und konnte so das Wiener Familienunternehmen nach und nach zu den Top-Playern der Branche machen.
Wenn Vogler nicht gerade das Riesenrad zum Glühen bringt oder das Dach der in Funkenregen taucht, sondiert er entweder neue Trends bei Feuerwerken auf der ganzen Welt... oder plant – wieder einmal – das Programm für das nächste Donauinselfest. Zwar ist sein Job dank digitaler Technik und Funk gesteuertem Zünden der Bomben via Computer wesentlich einfacher geworden, doch ein Riesenaufwand bleibt es trotzdem. „Man muss bereits im Herbst die Weichen stellen“, skizziert der Pyrotechniker, „beim Einkauf wird darauf geachtet, was es Neues, Spektakuläres gibt. Auch von der Sicherheit her – gibt’s etwas Neues? Das Material muss von renommierten Herstellern kommen, denn so ist in meinen 40 Berufsjahren noch nie etwas Gröberes passiert!“ Natürlich beginnt schon beim Briefing das Hirn Voglers zu rauchen und zu qualmen, denn: „Die wollen etwas, was den Besucher begeistert, ihm ,Aha!’ und ,Oho!’-Rufe entlockt. Man muss sich immer etwas Neues einfallen lassen, um das Vorjahr zu übertreffen. Neue Kombinationen, neue Stücke. Da ist unsere eigene Vorgabe: Wir müssen die Latte so hoch legen, damit keiner drüber kann!“
Zum Standart zählt derzeit die Kombination aus Optik und Sound, einfach Musikfeuerwerk genannt. „Das machen wir auch. Musikfeuerwerke sind derzeit üblich, weil der Mensch ja nicht nur sieht, sondern auch hört“, erklärt Vogler den Trend, „damit sind die unterschiedlichsten Assoziationen und Gefühle verbunden, das kann man mit Musik viel leichter rüber bringen.“ Der alte Hase im Geschäft unterstreicht das aktuelle Muss der Szene. „Ohne Musik geht nichts mehr, wo immer es möglich ist, wird Musik eingesetzt. Man vergeudet sonst Material, was nicht nötig ist. Sie können das Doppelte wegschießen, wenn keine Musik dabei ist, fehlt etwas.“ Es sind etwa zwanzig Minuten, in denen Vogler den Himmel über der Donauinsel in allen Farben des Regenbogens erstrahlen lässt. Es sind Wasserfälle, die er in den Nachthimmel vor dem Hauptact zaubert, er schießt hell gleißende „Heliosbomben“ ab, oder erzielt multiple Explosionen mit der „Teufelsbombe“, deren Untertitel brachial „Mehrschlag-Blitzbome“ lautet. Alleine die Menge, die die Gäste jährlich zum Staunen bringt, ist gigantisch – der Bedeutung und dem Stellenwert des Events eben angemessen. „Auf der Insel wird mehr als eine halbe Tonne Material verschossen, Elektrokabel inklusive“, stellt der Meister trocken fest, „es sind so in etwa 4000 Einzelbomben. Die daraus resultierenden Effekte sind noch viel zahlreicher, da sich eine Bombe fünf, sechs Mal zerlegt. Es gibt Abschussbatterien mit weit mehr als hundert Schuss, also man kann sicher von 8000 bis 10.000 Effekten während des Insel-Feuerwerks ausgehen!“
Trotz der explosiven Menge und Mischung bereitet die Sicherheit Günter Vogler kein Kopfzerbrechen. „Bei jedem Feuerwerk gibt es ein Gefahrenpotential, natürlich“, weiß er um seine Verantwortung, „Wir sind immer bemüht, dass die Sicherheit groß geschrieben wird. Die Abstände sind groß genug, dass das Risiko ausgeschaltet ist, die Absperrung ist weitläufig genug. Die Feuerwehr ist unwichtig, weil die können überhaupt Nichts tun, weil es nichts gibt, was brennen kann. Und damit gibt’s auch Nichts zu löschen.“ Da machen dem Chef schon eher mögliche Fehlerquellen nachdenklich. „Wesentlich ist, dass die Sachen funktionieren, die Rohre ganz bleiben und nichts umfällt“, plaudert er aus dem Fach, „die Montage darf nicht schlampig sein. Wenn alle Effektkörper funktionieren wie sie sollen – was man ihnen ja nicht vorschreiben kann, weil das an der Produktion liegt – dann ist das Risiko weitgehend ausgeschaltet. Deshalb ist es wichtig, dass man bei keinen zweifelhaften Quellen Material einkauft.“
Trotz aller Planung können Fehler passieren. „Natürlich kann es auch schief gehen! Es kann der Senderkasten, der Commander, streiken, dann ist das Problem mit einem zweiten Gerät zu lösen, das wir immer mitnehmen. Trotzdem gibt’s aber die Schrecksekunde, warum es nicht geht. Wenn eine Musik läuft, wird es schlimm. Aber das haben wir noch nie erlebt!“, klopft Vogler auf Holz, denn die Tücke steckt im Detail: „Es kann sich immer ein Draht lösen, eine Lötstelle aufgehen und man drückt und drückt – und es kommt nicht“ Daher haben wir gelernt, dass wir immer zwei Geräte mithaben.“ Allerdings ist die Anfälligkeit für Fehler minimal, denn nicht umsonst verfügt man über mehr als vier Jahrzehnte Erfahrung. „Die Fehlerquote ist so gering, dass es so gut wie nie auffällt. Da müsste schon eine ganze Batterie oder ein Sendekasten ausfallen, was noch nie passiert ist“, erklärt Vogler, der manchmal mehr liefert als bestellt und bezahlt wird. „Wir stellen eh immer fünf Prozent mehr hin, und wenn ein Prozent am Boden hängen bleibt, fällt das absolut nicht auf. Aber es bleibt dann vielleicht ein Promille am Boden...“
Damit alles wie am Schnürchen läuft und die „Smaragd-“ und „Saturnbomben“ auch über den Köpfen der staunenden Menschen explodieren, steht dem Altmeister ein ganzes Team an Helfern zur Verfügung. „Im Vorfeld sind es vier, fünf Leute, die es zu Hause zusammenstellen. Bei der Montage, die muss ruckzuck gehen, sind es bis zu 15 Menschen.“, fasst Günter Vogler zusammen, „Jeder unserer Pyrotechniker bringt im Vorfeld sein Wissen und Können ein, danach kommen die Ideen aufs Papier. Die Überlegungsphase dauert einige Wochen, der Zusammenbau wird in zwei, drei Wochen erledigt. Aber auch da sind noch Änderungen möglich, wir können bis einen Tag vor dem Feuerwerk nachjustieren. Man darf manchmal nicht zu viel tun, muss sogar den einen oder anderen Effekt wieder wegnehmen, damit der Ablauf stimmig ist.“ Dann er Ernstfall, am Tag des großen Himmelsspektakels, denn: „Über Nacht kann man das nicht stehen lassen, Absperrgitter oder Rohre kann man am Vortag anliefern. Explosivmaterial oder Abschussvorrichtungen kommen erst am Veranstaltungstag. Wie bei jedem Transport passiert das in speziell zugelassenen und versicherten Fahrzeugen, das kostet auch viel. Alles muss mit Elektrozündern versehen werden, wir müssen die entsprechenden Sicherheitsmaßnahmen treffen, damit nicht etwas vorzeitig zündet. Wenn alle Leitungen kontrolliert sind und alles in Ordnung ist, wird es bis zum Abschuss spannend: Funktioniert auch alles, was wir programmiert, und was wir zwei, dreimal gecheckt haben, beim Abschuss? Und schaut es so aus wie geplant?“
Natürlich wird auch in den Feuerwerksbranche heute ausschließlich mit Hilfe von Computern gearbeitet, doch wenn es um die Vorschau eines geplanten Events geht, ziert sich Vogler. „Vorher könnte man das am Computer herzeigen, das ist aber meistens nicht gut, da es nie ganz dem entspricht, wie das Feuerwerk dann aussieht. Zudem wird das Überraschungsmoment für den, der es bestellt und bezahlt, verdorben. Es ist keine gute Sache“, wischt er die Technik vom Tisch.
Die Aufgaben beim Donauinselfest sind gewaltig gewachsen. „Das gesamte Volumen des Festes ist ja größer geworden, vom Publikum bis zum Gelände und der Anzahl der Bühnen. Was das Feuerwerk anbetrifft... man hat lange Zeit nur von einem Punkt etwas hochgeschossen und nicht das gesamte Gelände ausgenutzt“, analysiert der Fachmann die Zeichen der Zeit, „Wir nutzen eine Breite von hunderten Metern. Es kommt ja nicht von ungefähr, dass wir damals den Feuerwerkswettbewerb mit der überwältigenden Mehrheit von mehr als 80% der Stimmen gewonnen haben!“
Und Vogler – technisch Uninteressierte sollten diesen Absatz nun überspringen – brilliert mit seinen Jahrzehnten an Fachwissen: „Vom Technischen hat sich eine Menge geändert. Als wir begonnen haben, kamen die ersten elektrischen Zündanlagen mit Drahtverbindung zum Einsatz, man hat gerade nicht mehr mit der Hand gezündet. Heute macht man das mit Funk. Das Equipment, damit man vollelektronisch mit Funk schießen kann, kostet ein Vielfaches von dem, was das Feuerwerk auf der Donauinsel kostet. Ein Empfänger, von denen wir etwa zwanzig Stück haben, kostet um die 2000 Euro, dazu kommen die so genannten Commander. Die gesamte Ausrüstung kostet schon an die 60.000 Euro.“
Aber ehrlich: Ist es wirklich die Mühe wert, und kann sich das verehrte Publikum noch erinnern, was im Vorjahr so am Himmelzelt geleuchtet hat? „Der Zuschauer wird vielleicht nicht mehr im Detail wissen, was er gesehen hat, dem Gefühl nach aber schon. Da erinnert man sich an einige herausragende Stücke, die sich einprägen“, weiß Vogler um das Gedächtnis, „Es ist aber sehr schwer, die Latte immer ein Stückchen höher zu legen. Es gibt immer Möglichkeiten, das noch ein Bissl mehr auszubauen, Ideen, die im Kleinen schon da waren, größer zu gestalten.“ Auch in der Kürze liegt die Würze: „Eigentlich ist es besser wenn jemand sagt: Geh’, jetzt ist es schon wieder aus! Wenn man eine Länge zu sehr betont, wird es nicht so interessant.“
Unter dem Strich kann Günter Vogler nach mehr als zwanzig Feuerwerken beim Donauinselfest eine positive Bilanz ziehen. „Schlechte Erfahrungen gibt es gar keine, außer, dass das Wetter manchmal schlecht ist“, lacht er, „und so richtig schlecht war es nie, dass ich mich geärgert hätte. Schön ist es, wenn die Zuschauer in den vorderen Reihen applaudieren. Man hört am Echo der Menschen, ob es gut ankommt, speziell, wenn es große Fronten an Effekten gibt.“