Aus meinem veröffentlichten Buch "Trauerbegleitung für Jugendliche"

„'... und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute...'“ (SPECHT-TOMANN/TROPPER 2011, S. 7).

Erstellt von megge vor 9 Jahren
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Dieser Schlusssatz vieler Märchen verspricht eine heile, paradiesische Welt und enthält doch gleichzeitig bereits den Hinweis, dass „Abschiede, Trennungen, Verlust, Tod und Trauer ... elementar zum Leben“ (ebd.) gehören und aus diesem deshalb nicht ausgeblendet werden können (vgl. FRANZ 2009, S. 84). Durch die Endgültigkeit des Todes (vgl. SPECHT-TOMANN/TROPPER 2010, S. 190) werden Menschen in ihrem tiefsten Inneren getroffen und verletzt (vgl. WEIDLER 2004, S. 184), wodurch das Leben sich verändert: „Es gibt Momente im Leben, da steht die Welt für einen Augenblick still, und wenn sie sich dann weiterdreht, ist nichts mehr wie es war" (vgl. Quelle unbekannt in: BESCHOTEN u.a. 2010, S. 45).

Dieser Empfindung von Trauer, die bereits in der Einleitung deutlich wird, soll im Folgenden nachgegangen werden, indem zu Beginn der Begriff der Trauer definiert und in seiner Erscheinungsweise dargelegt wird. Anschließend werden einige Phasenmodelle vorgestellt, die einen möglichen Verlauf von Trauer beschreiben und bei der Einordnung von Emotionen helfen können. Dazu werden zunächst einige ältere, grundlegende Modelle beschrieben, bevor dann auf das daraus entwickelte Trauermodell nach Verena Kast ausführlicher eingegangen wird. Abschließend wird den Traueraufgaben nach Worden, die eine neue Sicht der Trauer aufzeigen, Aufmerksamkeit geschenkt.

Zunächst also wird im Folgenden der Begriff der Trauer näher erläutert.

1.1 Begriffsklärung Trauer

„Trauer fließt wie flüssiges Blei ins Leben, sie umschließt jede Pore und lässt Lachfalten erstarren. Trauer ist einfach da, wir können sie weder verhindern noch verbannen“ (vgl. WEILAND 2005, S. 16). Abstrakter und weniger bildlich formuliert, meint Trauer die intensive, spontane und normale Reaktion eines Menschen auf einen schmerzhaften Verlust, auf Trennung und Abschied (vgl. REINTHALER/WECHNER 2010, S. 14; SPECHT-TOMANN/TROPPER 2010, S. 190). Auslöser hierfür können unter anderem der Verlust des Arbeitsplatzes, des gewohnten Umfeldes durch Umzug, das Ende einer Beziehung (vgl. REINTHALER/WECHNER 2010, S. 14) oder der Tod einer nahestehenden Person sein (vgl. BOWLBY 1983, S. 317). Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird Trauer lediglich als eine, durch einen Todesfall ausgelöste, Verlustreaktion verstanden und als solche Definition der Arbeit zugrunde gelegt.

Trauer bezeichnet nicht nur die akute Reaktion auf den Verlust, sondern vor allem den Prozess, der die Verarbeitung von Verlusten betont (vgl. LANGHORST/OPITZ 2008, S. 20; SPECHT-TOMANN/TROPPER 2010, S. 204). Rando nennt deshalb die akute Reaktion Kummer, Trauer hingegen sieht sie als übergreifenden, darüber hinausgehenden Prozess, der auch noch besteht, wenn Kummer bereits Vergangenheit ist (vgl. 2003, S. 181f.). Über den Charakter des Trauerprozesses herrscht allerdings Uneinigkeit. So sah Freud als Ziel des Prozesses die Ablösung und innerliche Loslösung vom verstorbenen Menschen, damit neue Bindungen entstehen können (vgl. KACHLER 2005, S. 15; WINKEL 2002, S. 56). Diese Sicht der Trauer ist noch immer weit verbreitet (vgl. WINKEL 2002, S. 56), allmählich setzen sich jedoch alternative Gedanken durch.

Rando beispielsweise sieht als Ziel der Trauer die Integration des Verlustes und des Verstorbenen in das eigene Leben (vgl. 2003, S. 183). In radikalisierter Form wird diese Sicht der Trauer zum ersten Mal im Trauermodell der fortdauernden Bindungen formuliert (vgl. KLASS/SILVERMAN/NICKMAN 2001, S. 190): Der Hinterbliebene löse sich nicht vom Verstorbenen, sondern lerne, ohne die soziale Rolle und körperliche Anwesenheit des Anderen zu leben, bleibe aber mit diesem in Verbindung und halte eine Beziehung zu ihm aufrecht. Diese Beziehung werde Bestandteil der inneren Welt und wandle sich ständig (vgl. ebd., S. 185ff.). Damit muss, so Rando, Trauer nie endgültig abgeschlossen sein, sondern sich nur in ihrer Art verändern (vgl. 2003, S. 183). Auch dann ist nach Lammer ein erfülltes, aber verändertes Leben wieder möglich (vgl. LAMMER 2004, S. 64).

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