Auszüge aus einer Arbeit zu Kant
[Auszüge aus einer Arbeit zu Kants „Grundlegung zur Metaphysik der Sitten“]
2.2 Zum Begriff der Liebe
Und auf diese Weise interpretiert Kant das Beispiel der christlich gebotenen Nächstenliebe, die auch den Feinden gelten soll. Die Liebe zeigt sich hier als bedingungslos. Den Feind zu lieben widerstrebt der menschlichen Neigung, es dennoch zu tun, „aus Pflicht“, gibt dem Handeln moralischen Wert. Diese Liebe bezeichnet Kant als „praktische“ und nicht als „pathologische“. Der Unterschied liegt darin, dass die praktische Liebe sich im Willen gründet und nicht „im Hange der Empfindung“.[1] […]
2.3 Über das Prinzip des Willens
Eine Handlung erhält demnach ihren moralischen Wert nicht durch ihre Absicht, sondern in der Maxime, nach welcher sie beschlossen wird. Kant spricht hier vom „Prinzip des Willens“. Der moralische Wert kann nicht im Willen, welcher auf eine Wirkung abzielt, liegen. Das „Prinzip des Willens“ bezeichnet Kant als a priori und formell. Eine Handlung aus Pflicht muss bestimmt sein durch das „formelle Prinzip des Wollens überhaupt“.[2]
Selbst wenn es solche Handlungen bisher vielleicht noch gar nicht gegeben hat, also in der Welt dafür vielleicht noch kein Beispiel gefunden werden kann und deswegen auf empirischer Ebene Zweifel bestehen mag, so gebietet doch die Vernunft eben auf diese Weise zu handeln, „weil diese Pflicht als Pflicht überhaupt, vor aller Erfahrung, in der Idee einer den Willen durch Gründe a priori bestimmenden Vernunft liegt.“[3] Zumindest das Prinzip dessen ist also existent. […]
2.5 Zum Gottesbegriff
Kant nennt als Beispiel den Begriff von Gott als Idee vom höchsten Gut. Dieser Begriff entspringt lediglich aus der Idee, „die die Vernunft a priori von sittlicher Vollkommenheit entwirft und [die] mit dem Begriffe eines freien Willens unzertrennlich verknüpft [ist].“[4] […] Beispiele können hier zwar der Aufmunterung und Anschaulichkeit dienen, „können aber niemals berechtigen, ihr wahres Original, das in der Vernunft liegt, beiseite zu setzen und sich nach Beispielen zu richten.“[5] […]
2.9 Zur Freiheit des Willens und seiner Autonomie
Kant bezeichnet den Willen als eine Art Kausalität lebender, vernünftiger Wesen. (Im Gegensatz dazu bezeichnet er die Naturnotwendigkeit als Eigenschaft der Kausalität aller vernunftlosen Wesen, welche unter dem Einfluss fremder Ursachen zur Tätigkeit bestimmt werden.[6])
Der Begriff der Kausalität beinhaltet in jeder Hinsicht Gesetze und demnach ist die Freiheit laut Kant, auch wenn sie „nicht eine Eigenschaft des Willens nach Naturgesetzen ist, darum doch nicht gar gesetzlos, sondern muß vielmehr eine Kausalität nach umwandelbaren Gesetzen, aber von besonderer Art sein; denn sonst wäre ein freier Wille ein Unding.“[7]
Kant unterscheidet zwischen einem positiven und einem negativen Freiheitsbegriff. Der negative Freiheitsbegriff bedeutet eine Freiheit im Sinne von: frei sein von naturgesetzlicher Fremdbestimmung. Der positive Freiheitsbegriff bedeutet, Freiheit zur Sittlichkeit. In Verbindung mit dem Willen ist hier der Begriff der Autonomie sehr wichtig. Autonomie bedeutet in diesem Sinne die Eigenschaft des Willens, sich selbst ein Gesetz zu sein. Wichtig hierbei ist: es gibt keine Freiheit des Willens außerhalb der Autonomie. Die Verschränkung von Autonomie und dem guten Willen geschieht durch Freiheit.[8]
In seiner Auseinandersetzung mit dem Begriff der Freiheit löst sich Kant von einer diesbezüglichen Theorie. Es geht ihm nicht darum, zu beweisen, dass Freiheit Wirklichkeit hat. Er nimmt sie als gegeben an und entscheidet sich hier für die Auseinandersetzung mit dem praktischen Weg der Freiheit.[9]
Als Vernunftwesen, welches zur intelligiblen Welt gehört, „kann der Mensch die Kausalität seines eigenen Willens niemals anders als unter der Idee der Freiheit denken […]“[10] Denn unabhängig zu sein von den bestimmenden Ursachen der Sinnenwelt, was für die Vernunft gilt, bedeutet Freiheit.
3. Über das Böse bei Kant
So wie sich nach Kant das einzig Gute im guten Willen finden lässt, welcher durch die Vernunft entwickelt werden kann, lässt sich ähnlich auch der Begriff des Bösen ausfindig machen. Kant schreibt das Böse ausschließlich den Leistungen des Subjekts zu. Nur „die Handlungsart, die Maxime des Willens und mithin die handelnde Person selbst“[11] kann man als böse bezeichnen. Indem er den Begriff des Bösen auf diese Weise eingrenzt, tritt Kant ein in die Philosophie der Moderne. Dadurch, dass nun auf die Theodizeefrage verzichtet wird, wird allein dem Menschen die Verantwortung für das Böse übertragen. Dies formuliert Kant in seiner Religionsschrift noch stärker. Er entbindet die Sinnlichkeit des Menschen davon, Ursache des Bösen zu sein, (so wie in platonisch-christlicher Tradition körperliche Begierden und Triebe als böse gelten mochten). Kant bezeichnet die Vernunft selbst als den Ursprung des Bösen. So entspringt der Gegensatz von Gut und Böse nicht „einem Konflikt zwischen natürlicher Determination und vernunftbestimmter Freiheit, sondern gründet in einer Entzweiung der praktischen Vernunft mit sich selbst.“[12]
Der Mensch ist nämlich in der Lage, sich anstelle von moralischen für „schädigende, egoistische und destruierende“[13] Beweggründe zu entscheiden und allgemeine Maximen nicht in vollem Maße zu berücksichtigen, sondern nur soweit, wie es mit seinen sonstigen Handlungszielen zu vereinbaren ist. Der Mensch wird in dem Sinne als frei angesehen, als dass er sich entscheiden kann, der Freiheit und Würde der anderen mit Respekt zu begegnen - oder eben nicht. Und aus dieser Freiheit erschließt sich die Verantwortung für das Gute und Böse gleichermaßen, die somit allein beim Menschen (oder vernunftbegabten Wesen) liegt.[14]
Die Behauptung, das Böse liege ausschließlich in der Verantwortung und damit der Freiheit des Menschen selbst, stellt die Traditionen vor Kant eindeutig in Frage. Doch auch seine eigene Theorie muss Kant damit überdenken. Noch in der „Grundlegung zur Metaphysik der Sitten“ stellt er die Freiheit des Menschen und die autonome Willensbestimmung als identisch dar. Dieser Gedanke scheint nun jedoch nicht mehr sicher. „Mit dem Gedanken des zurechenbar Bösen gerät die analytische Verbindung von Freiheit und Autonomie ins Wanken.“[15]
Freiheit weiterhin als sittliche Selbstbestimmung zu verstehen, scheint nicht möglich, wenn Handeln in moralischer und auch nicht moralischer Hinsicht als zurechenbar gelten soll. Die Antwort auf die Frage, warum Menschen sich für gut oder böse entscheiden, kann nicht gegeben werden, sie „bleibt im Akt der Wahl verborgen“.[16]
Die Thematik lässt sich auch auf heutige Probleme, die bzgl. des Begriffs des Bösen bestehen, ausweiten. Mit der Moderne verschwand die Theodizeefrage und die Verantwortung für das Böse wurde allein dem Menschen zugeteilt. „Gesellschaftliche Zustände, kollektives Handeln, Naturkatastrophen und physisches Leiden können demgegenüber nur in übertragenem Sinn als böse bezeichnet werden.“[17]
Der Mensch wird in Bezug auf das Böse als zurechenbar und verantwortlich angesehen, das Dilemma ist jedoch nach wie vor, dass wir die Begründung für diese Verantwortung nicht gänzlich aufklären können. Auch wenn wir zugestehen, dass soziale oder psychologische Faktoren diese Verantwortung mindern können. Dennoch können wir uns nicht mehr von der Überzeugung lösen, dass der Terminus des Bösen unweigerlich in Verbindung steht mit Zurechenbarkeit und Verantwortung des Menschen. [18]
[1] Ebd., S.26
[2] Ebd.
[3] Ebd., S.36
[4] Ebd., S.37
[5] Ebd.
[6] Ebd., S.83
[7] Ebd.
[8] Ebd.
[9] Ebd., S.85
[10] Ebd., S.91
[11] Vgl. KpV/zitiert aus Handbuch, S.390
[12] Handbuch, S.390
[13] Ebd.
[14] Ebd.
[15] Ebd.
[16] Ebd.
[17] Ebd.
[18] Ebd.