Auszug aus einem veröffentlichten Artikel
Männlichkeit und Körper in Zeitschriften für nicht-heterosexuelle Männer im deutsch-polnischen Vergleich bis zur Mitte der 1990er Jahre.
Egal welche Zeitschrift aufgeschlagen wird, sei es eine aktuelle Ausgabe einer Zeitschrift für nicht-heterosexuelle Männer oder eine aktuelle Ausgabe einer Fitnesszeitschrift für Männer, in allen finden sich athletische Körper und damit einhergehende Männlichkeitsideale wieder. Im Fokus meines Artikels stehen jedoch Zeitschriften für nicht-heterosexuelle Männer aus den Jahren 1991 bis 1995. Mit der Umschreibung nicht-heterosexuelle Männer versuche ich die nicht genau einzugrenzende Leser*innenschaft der Zeitschriften zu fassen, ohne dabei Fremdzuschreibungen und Pauschalisierungen hinsichtlich sexueller Orientierungen zu machen. Weder die Bezeichnung als homosexuell, noch eine Bezeichnung als queer erscheinen mir an dieser Stelle sinnvoll, sondern begrifflich zu eng oder zu weit definiert zu sein.
Zunächst möchte ich kurz auf den Forschungskontext und den theoretischen, sowie methodischen Rahmen meiner Analyse eingehen und im Anschluss daran die deutschen und polnischen Zeitschriften genauer in den Blick nehmen.
I. Theoretische Rahmung und Forschungskontext
Nicht-heterosexuelle Geschichte ist ein Thema, dass trotz der zunehmenden Bedeutung als Forschungsansatz kaum oder gar nicht in der „etablierten Geschichtswissenschaft“ wahrgenommen wird. Oft sind viele der Arbeiten über „Sexualitäten die von der Norm heterosexueller Zweigeschlechtlichkeit abweichen“ aus einem eher subkulturellen Umfeld heraus entstanden (Tomberger 19). Corinna Tomberger ruft deswegen auch dazu auf, dass zukünftige Forschungsprojekte
nicht allein die Ausgrenzung, Diskriminierung und Sanktionierung abweichender Sexualitäten […] untersuchen [sollen], sondern auch die damit einhergehende diskursive Naturalisierung von Heterosexualität und Zweigeschlechtlichkeit (Tomberger 20)
in den Blick nehmen sollten. Für das Thema des Artikels lässt sich feststellen, dass zwar Zeitschriften für nicht-heterosexuelle Männer oft ihren Anfang innerhalb der Emanzipationsbewegungen homosexueller Männer haben, es aber keine Studien oder Arbeiten gibt, die sich ausschließlich mit ihnen befassen. In den Untersuchungen wird auf einzelne Artikel verwiesen oder es werden allgemeine Aussagen über die Bedeutung von Zeitschriften gemacht. Besonders schwierig erweist es sich genaue Informationen über die Zeitschriften im Hinblick ihrer Redakteure oder ihrer regionalen Verbreitung zu finden, so dass bereits hier darauf hinzuweisen ist, dass auch in diesem Artikel weiße Flecken dazu bleiben. Auf die Forschungen zu Deutschland und Polen wird in den Kontextualisierungen genauer eingegangen.
Hinsichtlich des theoretischen und methodischen Rahmens verknüpfe ich Theorien der Gender und Queer Studies mit Ansätzen der kulturhistorischen Körpergeschichte, Geschlechtergeschichte und Visual History. Dabei setze ich inter- und transdisziplinäre Ansätze als grundlegend voraus. Gender- und queertheoretisch beziehe ich mich vor allem auf die Arbeiten von Judith Butler und Raewyn Connell und verknüpfe diese mit Kritik am Neoliberalismus. Grundlegend für alle meine theoretischen Zusammenführungen ist die Annahme, dass sowohl Körper als auch Geschlechter soziale Konstruktionen sind, die sich durch Aushandlungsprozesse innerhalb von Gesellschaften ausbilden. Weiterhin sind sowohl Körper als Geschlechter in ihren ganzen Facetten nur intersektional analysierbar.
Das Konzept der hegemonialen Männlichkeiten, welches von Raewyn Connell entwickelt wurde, lässt sich gewinnbringend mit den Ansätzen Judith Butlers zur Performativität von Geschlechtern und den Konzepten von Hetero- und Homonormativität verbinden. Dabei gehe ich nicht davon aus, dass sich seit 1945 polymorphe Männlichkeiten gegenüber hegemonialen Männlichkeiten durchgesetzt haben oder durchsetzen, wie dies Wolfgang Schmale in seiner Geschichte der Männlichkeiten in Europa 1450-2000 vorschlägt, sondern dass sich unterschiedliche, in sich jedoch ähnliche Männlichkeiten die hegemoniale Stellung innerhalb westlich-europäisch geprägten Gesellschaften teilen.[1] Hierdurch gibt es zwar mehrere anerkannte Männlichkeiten, jedoch sind besonders nicht-heterosexuelle und queere Männlichkeiten und Körper weiterhin marginalisiert und ausgrenzt.
Connell geht davon aus, dass für die vorherrschenden Männlichkeiten grundlegend ist, dass sie sich von Weiblichkeit sowie auch von anderen Männlichkeiten abgrenzen. Die gesamte Struktur des sozialen Geschlechts beschreibt sie dabei in einem dreistufigen Modell, in dem Machtbeziehungen, Produktionsbeziehungen und emotionale Bindungsstrukturen in einer verflochtenen Beziehung zu einander stehen. Die Machtbeziehungen beschreiben hierbei die tradierte Geschlechterordnung inklusive der geschlechtlichen Binarität. Die Produktionsbeziehungen nehmen Bezug auf die kapitalistische Grundordnung der Arbeitswelt. Hier lassen sich direkte Bezugspunkte zu aktuellen Überlegungen zum Verhältnis von Neoliberalismus, Körper und Geschlecht anknüpfen auf welche später eingegangen wird. Die emotionalen Bindungsstrukturen verweisen auf das sexuelle Begehren und den Zwang zur Heterosexualität (Balz 114-116). Die Durchsetzung einer oder mehrerer Männlichkeiten als hegemonial wird durch Komplizenschaften zwischen den hegemonialen und den untergeordneten Männlichkeiten, sowie durch den Ausschluss marginalisierter Männlichkeiten erreicht. Hierbei nähern sich die untergeordneten Männlichkeiten der hegemonialen Männlichkeit an und erhalten damit patriarchale Privilegien, mit deren Hilfe sie sich wiederum von anderen untergeordneten und marginalisierten Männlichkeiten abgrenzen können. Somit lässt sich nach Connell festhalten, dass Männlichkeiten in einem Hierarchiesystem zueinander in Konkurrenz stehen und ihre jeweiligen Positionen dort aushandeln (Balz 117-118). Jürgen Martschukat und Olaf Stieglitz formulieren in Bezug auf Connell, dass
[h]egemoniale Männlichkeit […] keine stabile Größe [ist], sondern ein kulturelles Ideal. Es muss keineswegs von einer Mehrheit von Männern gelebt werden, um bei vielen als Orientierungsmuster zu gelten. Aufgrund seiner Nähe zu gesellschaftlicher Macht und Verfügungsgewalt über Ressourcen können mit Hilfe dieses Ideals andere Männer wie Frauen marginalisiert bzw. ausgegrenzt werden; es erlaubt aber auch, sich in bewusster Opposition dazu zu positionieren (Martschukat und Stieglitz 42).
An diese Möglichkeit zu subversiven Akten lassen sich die Überlegungen Judith Butlers zu intelligiblen Beziehungen, Performativität von Geschlechtern und Zwangsheterosexualität anknüpfen. Dabei ist für Butler die Gesellschaft grundlegend auf heteronormativen Strukturen aufgebaut, welche mit Hilfe von Praktiken von Macht und Diskursen festgelegt ist und vorschreibt was diesseits und jenseits der normativ erlaubten Grenze liegt. Heteronormativität[2] sieht also die
Heterosexualität als Norm der Geschlechterverhältnisse, die Subjektivität, Lebenspraxis, symbolische Ordnung und das Gefüge der gesellschaftlichen Organisation strukturiert. […] [Sie] drängt die Menschen in die Form zweier körperlich und sozial klar voneinander unterschiedener Geschlechter, deren sexuelles Verlangen ausschließlich auf das jeweils andere gerichtet ist (Wagenknecht 17).
Dabei ist die Erfüllung der heteronormativen Erwartungen an Geschlecht und Körper kein einmaliger Prozess, sondern setzt sich aus ständig wiederholten performativen Akten zusammen. Während dieses Prozesses können sich subversive Praktiken etablieren, die der festgelegten legitimen Norm widersprechen, die Heteronormativität und die binäre Geschlechterordnung in Frage stellen. Dabei bestimmen Praktiken, Diskurse, Normen, Gesetze und Sprache die Konstruktion des Geschlechts und dienen als performative Akte (Butler 27).
Zusammen betrachtet ergänzen sich Connells Konzept der hegemonialen Männlichkeit und Butlers Überlegungen zur Performativität von Geschlechtern und Körpern. Erstens können Männlichkeiten nur durch die permanente Wiederholung bestimmter performativer Akte als hegemonial, untergeordnet oder marginalisiert konstituiert werden. Zweitens kann eine hegemoniale Männlichkeit nur durch die Orientierung an der Heternormativität als hegemonial konstituiert werden. Männlichkeiten, die nicht auf dem Zwang der Heternormativität aufbauen, sind nicht hegemonial. Durch bestimmte performative Akte können jedoch diese von der Mehrheit eindeutig als marginalisiert bewertete nicht-heterosexuelle Männlichkeit in eine komplizenhafte Beziehung zur hegemonialen bzw. privilegierteren Männlichkeiten eintreten. Durch diese Komplizenschaft gelingt es der eigentlich marginalisierten Männlichkeit innerhalb der Hierarchisierung höher eingestuft zu werden. In Bezug auf nicht-heterosexuelle Männlichkeit bedeutet dies, dass sie durch die Anpassung an die hegemoniale, somit heteronormative, Männlichkeit Defizite auf Grund der nicht-heterosexuellen Orientierung ausgleichen kann und somit gesellschaftliche Anerkennung über ihre eigentliche Marginalisierung hinaus erfährt.
In Bezug auf die Visual Culture Studies und Visual History rücken in meiner Analyse die abgedruckten Bilder der untersuchten Zeitschriften in den Vordergrund, hierbei im Besonderen deren Cover. Dabei untersuche ich wie „spezifische Bildpolitiken einflussreiche Normalitäts- und Normativitätsdiskurse, die mit sexuellen und vergeschlechtlichten Verhältnissen argumentieren, nachhaltig anfechten, verschieben und umarbeiten können“ (Paul und Schaffer 9) oder jene Normativitäten aufrecht erhalten und reproduzieren. Innerhalb der Visual History hat Gerhard Paul fünf Ebenen der historischen Untersuchungen herausgearbeitet (Paul 6). Dabei ist meine Analyse der fünften Ebene und in Teilen der vierten Ebene zuzuordnen, da sie sowohl herausarbeiten möchte, wie die Bilder bei der Identitätsbildung genutzt, funktionalisiert oder anders als im ursprünglichen Sinne genutzt werden, als auch Transferprozesse und in Ansätzen Aspekte der Interpikturalität aufgreift. Dabei haben die Forschungen der letzten Jahre herausgearbeitet, dass „Bilder […] einen übermächtigen Einfluss auf unsere Wertvorstellungen von Geschichte“ haben und „als Medium kollektiver Identitätsbildung, über die soziale und politische Kollektive ihre Identität herausbilden und abzusichern versuchen“ (Paul 14). Jedoch sind im deutschsprachigen Raum „derzeit nur wenige historische Untersuchungen zur Rolle von Bildern innerhalb kollektiver Identitätsprozesse“ (Pauk 18) vorhanden. Dabei gehe ich im Anschluss an Gerhard Paul und Horst Bredekamp „von einem mehrschichtigen Bildbegriff aus, der Bilder als Zeichen und Quellen, ihre ästhetische Qualität Sinn und Deutungen generierende Medien sowie als Realität erzeugende Bildakte begreift“ (Paul 24). Diese Annahme von einer aktiven Handlungsmacht der Bilder lässt sich sehr gewinnbringend mit performativen Akten verknüpfen.
II. Analyse
Bevor ich auf die deutschen und polnischen Beispiele eingehe, noch ein paar Worte zu den ausgesuchten Zeitschriften. Leider gibt es weder verlässlichen Daten über die Auflagenhöhe noch über die Verbreitung der ausgesuchten Zeitschriften. Für Deutschland habe ich mir die Ausgaben der Magnus, sowie der Rosa Zone aus den Jahren 1993 und 1995 angesehen.[3] Magnus wurde 1989 in Berlin gegründet, erschien bis 1997 und ging direkt aus der Schwulenbewegung hervor (Bartholomae 73). Über die Rosa Zone sind in der wissenschaftlichen Literatur kaum Informationen zu finden. Sie erschien von 1991 bis 2003 (Bartholomae 73) im Ruhrgebiet als kostenlose Zeitschrift bzw. Stadtmagazin. Es ist anzunehmen, dass die Verbreitung über den gedachten Raum hinausging. Durch ihren Charakter als kostenloses Stadtmagazin unterscheidet sie sich von Magnus und spiegelt einen Typus schwuler Zeitschriften wieder, die besonders in den 1990er bis zur Mitte der 2000er Jahre eine hohe Bedeutung hatten. Wie bereits bei den deutschen Beispielen lässt sich zu den polnischen Beispielen[4] ebenfalls festhalten, dass es kaum Forschung gibt. Inaczej wurde 1990 in Posen gegründet und erschien bis 2002 (Warkocki 147-148). Filo ist die erste polnische Zeitschrift für nicht-heterosexuelle Männer und erschien in Danzig (Kitliński und Leszkowicz 205). Über das Men Magazyn und Okay konnten meine Recherchen bisher keine Daten über die Entstehungszeit oder Bestehenszeit hervorbringen. Auffällig ist, dass die Bilder im Men Magazyn eindeutig pornografischer sind, als in den anderen genannten Zeitschriften. Es gibt in der Mitte der Zeitschrift eine Bildstrecke mit expliziten Bildern. Die genannten Zeitschriften waren, zumindest Inaczej, in der Theorie an den meisten Kiosk erhältlich (Warkocki 147-148). Gleiches gilt auch für die deutschen Zeitschriften, wobei die Rosa Zone an Treffpunkten und in Lokalitäten der Szene ausgelegt wurde. Es ist anzunehmen, dass sowohl die deutschen als auch die polnischen Zeitschriften und ihre gezeigten Körper- und Männlichkeitsbilder für viele homosexuelle Männer zur Identifikation gedient haben, und dadurch entscheidend für die eigene Wahrnehmung und Körper-, sowie Identitätskonstruktion der Leser*innenschaft wurden.
Im Folgenden werde ich vier Cover, je zwei der Magnus und der Rosa Zone genauer beschreiben, um anschließend allgemeiner auf die Cover der restlichen sich im Korpus befindenden Ausgaben einzugehen. Auf der März Ausgabe von Magnus aus dem Jahr 1993 ist ein junger weißer Mann zu sehen, der ganz in rotem Lack gekleidet ist, wobei seine Beine frei sind. Dieses von subkulturellen Fetischen geprägte Outfit besteht aus einer roten Lackkappe, roten Lackhandschuhen, einer roten Lackjacke, einem roten Netzoberteil, einer knappen roten Lackhose und roten Lackstiefeln. Obwohl der Mann auf dem Cover (weitgehend) angezogen ist, ist zu erkennen, dass sein Körper dem athletisch-schlanken Ideal folgt. Auf der Juniausgabe von Magnus aus dem Jahr 1993 ist eine Szene am Meer zu sehen. Ein mit weißer Badehose bekleideter weißer Mann posiert vor dem Meer. Dabei ist sein athletischer Körper nass und glänzt in der Sonne, der Fotografierte blickt dem*der Betrachter*in ins Gesicht. Die linke Hand ist an die Lenden gelegt, die rechte hängt am Körper herab. Brusthaare oder andere Körperbehaarung sind nicht zu sehen. Auf der Ausgabe der Rosa Zone von April 1994 ist ein weißer Mann zu sehen, der mit einer Nelke vor seinem nackten Oberkörper posiert. Dabei schaut er lächelnd in die Kamera. Sein Körper ist unbehaart und wirkt schlank und in Ansätzen trainiert. Zudem trägt er eine Kette mit einer engelähnlichen Figur als Anhänger. Auf der Februarausgabe der Rosa Zone von 1995 ist ein weißer Mann zu sehen, der eine schwarze Hose trägt, in der seine Hände stecken. Er blickt in die Kamera und schmunzelt dabei leicht. Sein Körper ist trainiert und ein Sixpack ist deutlich zu erkennen.
In der Zusammenschau aller deutschen Beispiele lässt sich festhalten, dass auf den untersuchten Covern der Magnus ausschließlich weiße Männer abgebildet sind. Alle Männer haben einen schlanken bis trainierten Körper und unterscheiden sich in ihrem Alter, wobei in den gewählten Beispielen die jungen Männer überwiegen. Hinsichtlich nicht normativer Darstellungen sticht nur die beschriebene Märzausgabe von 1993 heraus, da hier eindeutig Referenzen auf subkulturelle Fetische zu erkennen sind und somit Ansätze von queeren Abweichungen erkennbar werden. Hervorheben möchte ich noch, dass auch in den Artikeln Bezüge zu Körpern und Männlichkeit hergestellt werden. So finden sich, exemplarisch für andere Ausgaben, in der Oktoberausgabe 1995 der Magnus ein Artikel mit Namen „Der 5-Kampf der Eitelkeit“ (21) der Tipps für einen guten Körper enthält und kurz danach eine zweiseitige Werbeanzeige für eine Abnehmkautablette mit einem liegenden schlanken weißen Mann und der Überschrift „Mehr Lust. Wenig Frust. Die bessere Figur“ (28-29). Außerdem widmet sich die Märzausgabe 1994 in einem Artikel dem Thema „Dick! Vom aufrechten und doch kilogebauten Gang“[5], in dem das Begehren dicker Männer und das begehrt werden jener thematisiert wird. Ähnliche Aussagen zu Artikeln und Covern lassen sich auch über die Rosa Zone machen, wobei hier nicht nur nackte Körper auf den Covern zu sehen sind und ebenfalls Cover mit intersektionalen Aspekten zu finden sind.[6]
Bei der Betrachtung fällt auf, dass es hinsichtlich der Körperlichkeit nur eine sehr schmale, an für sich sehr homogene, Spannbreite gibt. Im Rückbezug zu Connell und Butler lässt sich feststellen, dass durch die Abbildung eines bestimmten männlichen Körpers sowie einer vorwiegend europäisch-weiß[7] geprägten Herkunft der athletische oder trainierte bzw. schlanke Körper in den Vordergrund gestellt wird. Dieser wird somit für die Abbildung homosexueller Männer in gewissem Maße hegemonial. Wie bereits erwähnt, haben die Zeitschriften jenseits ihrer Funktion zur Informationsvermittlung an die Leser*innen auch eine hohe Bedeutung für die Herausbildung einer Identifikation. Indem auf den Covern, den überwiegenden Abbildungen im Innenteil sowie in der Werbung wiederholt ausschließlich schlanke Körper gezeigt werden, fungieren diese Bilder als performative Akte, die der Leserschaft vermitteln, wie der homosexuelle Körper auszusehen hat. Somit lässt sich bereits für die deutschen Zeitschriften festhalten, dass ihre Abbildungen ein hegemoniales Bild des athletischen/schlanken Männerkörpers als Ideal in die Köpfe der homosexuellen Leser*innen einschreiben.
Für die polnischen Beispiele werde ich ebenfalls vier Beispiele näher beschreiben und anschließend Aussagen über die Repräsentationen von Körpern und Männlichkeiten zusammenfassen.
Auf der Ausgabe 3 von 1992 der Zeitschrift Filo ist ein Mann zusehen, der auf einem weißen Metallstuhl sitzt. Der Mann ist im Vergleich zu den folgenden anderen Beispielen nicht europäisch-weiß, er trägt nur eine schwarze Badehose und hat keine Brusthaare. Sein Körper lässt sich als schlank beschreiben. Auf der Ausgabe Nr. 2 des Men Magazyn ist ein weißer Mann abgebildet, der eine hellblaue Jeans trägt, seine Hände in die Taschen gesteckt hat und mit freiem Oberkörper vor einer Wand steht. Der Oberkörper ist haarlos und lässt erkennen, dass der Mann seinen Oberkörper trainiert. Auf der Januarausgabe 1991 von Inaczej ist ein weißer Mann abgebildet, der einen eindeutig muskulösen-trainierten Körper besitzt und lediglich mit einer knappen roten Badehose und einem halb ausgezogenen weißen T-Shirt bekleidet ist. Sein Oberkörper erscheint dabei haarlos und wird von der rechten Seite her beleuchtet, wodurch sich die Muskeln verstärkt in den Vordergrund des Bildes schieben. Auf der Septemberausgabe 1992 von Inaczej sind zwei Männer in Toga abgebildet, die vor der Ruine eines antiken Tempels posieren. Dabei greifen sie eindeutig Positionen antiker Skulpturen auf und stellen diese nach. Beide Männer blicken nach links und nicht auf die Betrachter*innen des Covers. Ihre Körper sind deutlich als trainierte und muskulöse Körper zu erkennen.
Die polnischen Beispiele zeigen wie zuvor bei den deutschen Zeitschriften festgehalten ein nahezu homogenes Körperbild. Alle abgebildeten Personen besitzen einen athletischen, schlanken oder trainierten Körper und durch ihre Posen werden jene deutlich in das Zentrum der Cover gestellt. Jedoch lassen sich mehr intersektionale Querverweise finden – so sind in den Zeitschriften nicht-weiße Männer zu finden. Jedoch muss hierbei betont werden, dass Intersektionalität und Abbildung einer diversen Wirklichkeit vermutlich hinter der intendierten Darstellung von stereotyper „Exotik“ und dem „sexuell Anderen“ zurückbleiben. Auf nahezu allen Covern lassen sich nackte Körper wiederfinden. Noch stärker als in der deutschen Bewegung trugen die polnischen Zeitschriften zur Herausbildung einer Identität der Schwulenbewegung in Polen bei. Der polnische Journalist Warkocki schreibt dazu:
Den meisten Einfluss hatten sicherlich die Zeitschriften, die an Homosexuelle gerichtet waren. Manche waren recht kurzlebig, andere existierten lange [...]. Ihre Bedeutung kann nicht hoch genug geschätzt werden. [...] Auf diese Weise spielten sie sicherlich die Rolle eines Lehrbuchs für schwule Identität (Warkocki 147-148).
Somit kann heraus gestellt werden, dass zu Beginn der 1990er Jahre die polnischen Zeitschriften einen starken Einfluss auf die Identitätsbildung hatten, während in Deutschland bereits ein System des hegemonialen Körperbildes entstanden war. Wie bei den deutschen Beispielen zeigt sich die Verbindung von Connells Hegemonie-Konzept und Butlers Überlegungen zur Performatität als produktiv. Im polnischen Kontext wird durch die Zeitschriften ebenfalls ein hegemoniales Körperbild durch performative Akte gefestigt und erzeugt.
III. Zusammenfassung und Schlussbetrachtung
In der Zusammenschau der deutschen und polnischen Beispiele lassen sich Gemeinsamkeiten erkennen. Erstens tragen alle Zeitschriften zur Etablierung eines athletischen Körperideals als hegemoniales Körperbild bei. Sowohl die polnischen als auch die deutschen Beispiele und ihre Körperdarstellungen können im Prinzip als austauschbar angesehen werden. Interessant wäre hierbei, der Frage nachzugehen, ob die polnischen Zeitschriften eigene Bilder für ihre Cover in Auftrag gegeben haben, oder auf kommerzielle Angebote zurückgriffen, welche vielleicht ebenso im westlichen Europa genutzt wurden. Leider lässt sich nur sehr schwierig herausfinden, ob es zu dieser Art eines Transfers kam oder nicht. Zweitens lässt sich aus der der ähnlichen oder sogar gleichen Darstellung von Körperbildern ein transnationales Phänomen zur Repräsentation von Körpern ableiten. Dieses kann natürlich nicht nur auf der Betrachtung zweier Schwulenbewegungen und ihrer Körperdarstellungen fußen, sondern muss in einen breiteren internationalen Kontext eingebettet werden.[8]
Die Hauptbeispiele aus Polen und Deutschland haben gezeigt, dass es innerhalb der Schwulenzeitschriften ein transnationales, eventuell westlich-europäisches Phänomen hin zum athletischen Körper gibt, der durch seinen performativen und hegemonialen Charakter Abweichungen sanktioniert.
[...]
[1]Auf die Diskussion über hegemoniale Männlichkeiten, die aktuelle Entwicklung der kritischen Männlichkeitsforschung und Diskussionen über Krisen der Männlichkeit werde ich an dieser Stelle nicht eingehen, sondern möchte auf den Überblicksband von Martschukat und Stieglitz, sowie auf Dingens.
[2]Für eine genauere Diskussion und Beschäftigung mit Heteronormativität verweise ich auf Wagenknecht und Hark.
[3]Mein Untersuchungskorpus setzt sich für Deutschland folgendermaßen zusammen: Magnus 1990 bis 1994 alle Hefte und 3 (1995), 6 (1995), 10 (1995), 11 (1995) und 12 (1995). Rosa Zone: 12 (1992), 9 (1993), 11 (1993), 12 (1993), 1 (1994), 2 (1994), 3 (1994), 4 (1994), 6 (1994), 7 (1994), 9 (1994), 10 (1994), 11 (1994), 1 (1995), 2 (1995), 3 (1995), 4 (1995) und 5 (1995).
[4]Mein Untersuchungskorpus für die polnischen Zeitschriften setzt sich wie folgt zusammen: Inaczej: 1 (1991), 2 (1991), 3 (1991), 4 (1991), 5 (1991), 6 (1991), 7/8 (1991), 9 (1991), 10 (1991), 11 (1991), 12 (1991), 1 (1992), 2 (1992), 3 (1992), 4 (1992), 5 (1992), 6 (1992), 7 (1992), 8 (1992), 9 (1992), 10 (1992), 11 (1992) und 12 (1992). Von Men Magazyn haben die Ausgaben keine Jahreszahlen, jedoch werden sie ebenfalls in den 1990er erschienen sein: 2 (o.J.), 3 (o.J.), 4 (o.J.), 5 (o.J.), 6 (o.J.), 7 (o.J.), 8 (o.J.), 9 (o.J.), 10 (o.J.). Für Filo sind nur die Ausgaben 24 (1991) und 25 (1991) im Korpus enthalten. Für Okay die Ausgaben: 8 (1991), 1 (1992), 3 (1992) und 4 (1992).
[5]Feddersen, Jan: „Dick!Vom aufrechten, doch kniegebeugten Gang“, in: Magnus 3 (1994), 10-17.
[6]An dieser Stelle wird nicht genauer auf die intersektionalen Besonderheiten der Rosa Zone oder ihre Verortung im deutschen Kontext eingegangen. Zur genaueren Auseinandersetzung mit Körper- und Männlichkeitsdiskursen in der Rosa Zone ist ein eigener Artikel in Arbeit, der Ende 2016 im Zusammenhang mit der Tagung „Schwul-lesbische Lebenswelten an Ruhr und Emscher im 20. Jahrhundert zwischen Verfolgung und Selbstbehauptung“ erscheinen wird. Jedoch lässt sich sagen, dass die Rosa Zone im Vergleich mit anderen Zeitschriften in einigen Punkten von der üblichen Darstellung abweicht.
[7]An dieser Stelle möchte ich betonen, dass ich keine weitere ethnische Zugehörigkeit ausdifferenziere, da dieser nur sehr schwierig ist und an diesem Punkt lediglich auf die intersektionale Komponente des Covers im Vergleich mit den anderen Beispielen eingegangen werden soll. Des Weiteren möchte ich keine ethnischen Fremdzuschreibungen aufgrund von Vermutungen, die auf stereotypen Wahrnehmungen vornehmen.
[8]Bereits durch einen Blick in andere Zeitschriften in Europa aus den späten 1980er und den frühen 1990er Jahre wie der italienischen Zeitschrift Babilonia lässt sich die These von transnationalen Gemeinsamkeiten hinsichtlich von Körper- und Männlichkeitsdiskursen in Zeitschriften für nicht-heterosexuelle Männer weiter erhärten.
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