Auszug Diplomarbeit

3.2 Up- und Cross-Selling

3.2.1 Begriffsdefinition und Abgrenzung

Die Thematik Up- und Cross-Selling ist trotz zahlreicher praxisorientierter Publikationen in der Literatur bisher nur vereinzelt wissenschaftlich und empirisch thematisiert.[1]

Erstellt von GW vor 8 Jahren
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In der Unternehmenspraxis wird Up- und Cross-Selling als „the best method for building [..] relationships, holding existing customers, and creating a more profitable customer relationship”[2] sowie als „basic thrust of [...] marketing strategies“[3] bezeichnet und dennoch fehlt es an fundierten wissenschaftlichen Arbeiten. Die Finanz- und Versicherungsbranche gilt als eine der Ursprungsbranchen von Up- und Cross-Selling-Maßnahmen und ist einer der wenigen Wirtschaftszweige, der das Thema schon seit ca. 30 Jahren diskutiert und erfolgreich anwendet.[4] Jedoch gibt es bisher wenig branchenübergreifende Literatur, die klare Abgrenzungen aufweist und so zu einem uniformen Verständnis der Begriffe Up- und Cross-Selling führt.[5] Um eine gültige und geeignete Definition für diese Arbeit zu entwickeln, wird in dem folgenden Abschnitt aufgrund der verschiedenen Begriffsauffassungen von Up- und Cross-Selling eine Auswahl an Begriffsbestimmungen aufgelistet. Die Tabellen 1 und 2 stellen einen Vergleich ausgewählter Definitionen dar und unterscheiden diese hinsichtlich charakteristischer Merkmale.

Tab. 1: Übersicht von Up-Selling Definitionsansätzen

Up-Selling

Autor

Definition

Höheres Preis-niveau

Kunden-beziehung

Produkt-bezug

Sortiments-bezug

Bauer/
Hammer-schmidt/
Donnevert (2007)[6]

„Up-Selling beschreibt das Potenzial, welches in späteren Phasen der Kundenbeziehung durch Kauf höherpreisiger Güter derselben Produktkategorie entsteht.“

Schneider N. C. (2007)[7]

„Up-Selling Erfolgsbeiträge beziehen sich auf den Verkauf derselben Produktkategorie und [...] entstehen durch den Verkauf von höherpreisigen Produkten desselben Typs.“

Hartwig T. (2009)[8]

„Up-Selling heißt, dem Kunden ein höherwertiges beziehungsweise höherpreisiges Produkt zu verkaufen. [...]. Man kann auch von einem Upgrade sprechen.“

Müller,
H. D.

(2004)[9]

„Up-Selling als eine Aktivität zur Steigerung des Umsatzes durch Wiederholungskäufe [...] die sich durch einen Wechsel des Kunden von einer niedrigeren in eine höhere Preisklasse innerhalb derselben Produktkategorie äußert.“

Krumm R., Geissler C. (2005)[10]

„Verkaufsbemühungen mit dem Ziel, dem Kunden eine höherwertige/ höherpreisige Alternative zu seinem Wunschprodukt zu verkaufen. Wichtig hierbei ist die Kenntnis der Kaufmotive des Kunden, die mit der Alternative befriedigt werden können.“

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Pohlkamp, Identifikation und Ausschöpfung von Up-Selling-Potenzialen, S. 15.

Nach Gegenüberstellung der Begriffsauffassungen von Up-Selling und der Überprüfung der Anwendbarkeit der vier Merkmale, tritt ein wesentliches Hauptmerkmal in den Vordergrund. Die Eigenschaft, dem Kunden ein höherwertiges bzw. höherpreisiges Produkt oder Dienstleistung anzubieten, um einen höheren Umsatz bzw. Erlös zu erwirtschaften, findet sich in allen fünf aufgelisteten Definitionen wieder. Nach Auffassung von Müller ist ein weiteres Merkmal das Vorhandensein einer bestehenden Kunden- bzw. Geschäftsbeziehung bei der Durchführung einer Up-Selling-Transaktion (vgl. auch Bauer/Hammerschidt/Donnevert und Krumm/Geissler). Eine bestehende Geschäftsbeziehung liegt vor, wenn mindestens eine Transaktion zwischen dem Kauf eines Produktes und der eigentlichen Up-Selling-Aktion liegt.[11] Dabei ist der Zeitraum zwischen Kauf und Up-Selling-Aktion nicht relevant.[12] Somit kann nach Verkauf eines Produktes an einen Neukunden sofort im Anschluss eine Up-Selling-Aktion durchgeführt werden.

Zwei weitere Merkmale von Up-Selling-Maßnahmen sind der Produkt- und Sortimentsbezug. Unter Produktbezug ist der Zusammenhang zwischen Einstiegsprodukt, welches zur Kundenbeziehung geführt hat und im Luftverkehr die Kernleistung Flug/Transport darstellt sowie dem Up-Selling- bzw. Zusatzprodukt gemeint. Einige der aufgelisteten Begriffe verweisen auf einen direkten Bezug innerhalb einer Produktgruppe/-kategorie oder sprechen von einem Up-Grade (vgl. u.a. Schneider, Müller und Hartwig). Andere Definitionen wiederum deuten auf keine direkte Produktverbundenheit hin, lassen dieses Merkmal offen oder verweisen auf Alternativprodukte (vgl. Krumm/Geissler). Alternativprodukte können sowohl produktbezogene Merkmale aufweisen, aber auch außerhalb der jeweiligen Produktkategorie liegen. Klassenkonzepte von Airlines stellen ein Beispiel für so genanntes Up-Selling dar und werden als Sonderform des Bundling, genauer als Trading-Up-Bundling, bezeichnet. In dieser Form der Leistungsbündelung enthält jede höherwertige Flugklasse (Business Class) alle Komponenten des Basisbündels (Economy Class).[13]

Das Merkmal Sortimentsbezug beschreibt die Wahl der Zusatzprodukte aus dem eigenen Sortiment bzw. Produktprogramm oder die eines externen Sortiments. Bei Überprüfung der Begriffe in Hinblick auf das Merkmal Sortimentsbezug konnte keine der Definitionen auf den direkten Bezug der Produkte auf das Eigen- oder Fremdsortiment hinweisen. Somit bleibt die Betrachtung dieses Punktes bezogen auf den Begriff Up-Selling offen.

In der folgenden Tabelle werden nach der Erörterung von Up-Selling Begriffen und deren Merkmalen, verschiedene Definitionsansätze von Cross-Selling dargestellt und anhand der drei Merkmale: „Kundenbeziehung“, „Produkt- und Sortimentsbezug“ verglichen.

Tab. 2: Übersicht von Cross-Selling Definitionsansätzen

Cross-Selling

Autor

Definition

Kunden-beziehung

Produkt-bezug

Sortiments-bezug

Cornelsen, J. (2006)[14]

„Beim Cross Selling werden dem Kunden im Verlauf einer Geschäfts-beziehung gezielt Produkte aus anderen als den bisherigen Produktfeldern angeboten.“

Roemer, M. (1998)[15]

„Cross-Selling zielt auf eine Vernetzung bisher getrennter Absatzwege verschiedener Anbieter bzw. auf die Vernetzung der Absatzwege getrennter operierender Sparten eines Anbieter(konzern)s, um Nachfrager die bestehenden Produkte kombiniert als ein Produktbündel anbieten und um bestehende Kundenkontakte für den Absatz komplementärer [..]-leistungen nutzen zu können.“

eigenes oder externes Sortiment

Hartwig T. (2009)[16]

„ Beim Cross-Selling wird dem Kunden ein Produkt aus einer anderen Produktgruppe angeboten. Das Produkt kann eine passende Ergänzung sein, [...] aber auch unabhängig vom eigentlichen Produkt sein.“

eigenes oder externes Sortiment

Jungwirth G. (1997)[17]

„Unter dem Begriff Cross-Selling versteht man Verkaufsanstreng-ungen, die darauf abzielen, durch Anbieten von bisher noch nicht in Anspruch genommenen Produkten oder Dienstleitungen des Unternehmens das eigene Kunden-potential besser auszuschöpfen und auf diese Weise den Umsatz zu steigern.“

eigenes Sortiment

Homburg C. (2002)[18]

„Vermarktung von zusätzlichen Produkten/ Dienstleistungen im Rahmen existierender Geschäftsbeziehungen [...]“.

Krumm R., Geissler C. (2005)[19]

„Verkaufsbemühung gegenüber solchen Kunden, die nur einen bestimmten Teil des Leistungsspektrums eines Unternehmens in Anspruch nehmen. Ziel ist, die Kunden für die Nutzung weiterer Produkten zu gewinnen, sie somit stärker an das Unternehmen zu binden und Umsatz zu sichern.“

eigenes Sortiment

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Schäfer, Die Erschließung von Kundenpotentialen durch Cross-Selling, S. 52.

Bei der Gegenüberstellung und dem Vergleich von relevanten Cross-Selling-Definitionen anhand der oben angeführten Merkmale kristallisiert sich, wie auch schon bei dem Begriff Up-Selling, das Merkmal Kundenbeziehung als eines der wesentlichen Kriterien heraus. In allen aufgeführten Definitionen ist eine bestehende Kundenbeziehung Grundvoraussetzung, um Cross-Selling-Maßnahmen durchzuführen. Auch die beiden Merkmale Produkt- und Sortimentsbezug kommen in einigen Definitionen vor. Allerdings ist das Merkmal Produktbezug in Hinblick auf die Verbundenheit des Zusatzproduktes zum Einstiegsprodukt nicht klar vertreten (vgl. u.a. Cornelsen und Homburg). So lassen die Definitionen offen, ob bei Cross-Selling-Maßnahmen ein unbedingter Direktbezug zum Einstiegsprodukt des Kunden gegeben sein sollte oder nicht. Das Merkmal Sortimentsbezug zeigt, wie auch schon beim Merkmal Produktbezug keine eindeutige Ausprägung unter den Definitionsansätzen. Es gibt zum einen innerhalb der Definitionen kein Bezug zum Sortiment (vgl. Cornelsen und Homburg) bzw. werden andererseits nur Produkte aus dem eigenen Sortiment gezielt beworben (vgl. Jungwirth und Krumm/Geissler). Eine weitere Ausprägung innerhalb des Merkmals ist, dass Produkte aus dem Eigen- sowie Fremdsortiment angeboten werden (vgl. Roemer und Hartwig). Somit ist hier keine aussagekräftige Tendenz innerhalb der Definitionen zu erkennen.

Nach der Analyse einer Vielzahl von Definitionen für die Begriffe Up- und Cross-Selling sowie der Analyse der ausgewählten Merkmale und deren Ausprägung, kann abschließend eine gültige Definition für die vorliegende Arbeit und in Hinblick auf Condor formuliert werden.

Unter dem Begriff Up-Selling wird in der vorliegenden Arbeit der Verkauf von höherwertigen bzw. höherpreisigen Produkten/Dienstleistungen verstanden. Zum Zeitpunkt der Up-Selling-Aktion liegt eine Geschäfts- bzw. Kundenbeziehung vor. Das heißt es werden Neukunden[20] wie auch Bestandskunden[21] berücksichtigt. Die beworbenen Up-Selling-Produkte stammen nur aus dem eigenen Sortiment des Unternehmens und weisen stets einen Produktbezug zum Einstiegsprodukt auf. Das höherwertige Produkt stiftet dem Kunden neben dem erlangten Grundnutzen aus dem Einstiegsprodukt einen Zusatznutzen. Am Beispiel einer Fluggesellschaft stellt die Business und die First Class ein Up-Selling-Produkt dar.

Unter dem Begriff Cross-Selling wird in der vorliegenden Arbeit der Überkreuzverkauf von Produkten bezeichnet, zu dessen Zeitpunkt eine Geschäfts- bzw. Kundenbeziehung vorliegt. Das heißt es werden Neukunden wie auch Bestandskunden berücksichtigt. Die beworbenen Cross-Selling-Produkte können zum einen aus dem Sortiment des eigenen Unternehmens oder aus dem eines Kooperationsunternehmens stammen. Beim Cross-Selling kann, muss aber kein direkter Produktbezug zum Einstiegsprodukt vorliegen. Das Zusatzprodukt stiftet dem Kunden neben dem erlangten Grundnutzen aus dem Einstiegsprodukt einen ergänzenden Zusatznutzen. Am Beispiel einer Fluggesellschaft stellt die Vermittlung eines Mietwagens ein Cross-Selling-Produkt dar.

Auch, wenn in den Definitionsansätzen des Cross-Selling-Begriffs kein klarer Standpunkt zur Verbundenheit von Einstieg- und Zusatzprodukt zu erkennen ist, erleichtert der Produkt- und Sortimentsbezug den Absatz von Ergänzungsprodukten.[22] Im weiteren Verlauf der Arbeit werden die Begriffe Aktiver Verkauf sowie Zusatzverkäufe synonym mit den Begriffen Up- und Cross-Selling verstanden.

[1] Vgl. Schäfer, Die Erschließung von Kundenpotentialen durch Cross-Selling, S. 4.

[2] Vgl. Ritter, Relationship Banking, S. 5.

[3] Vgl. Trethowan, Strategic Responses to Change in Retail Banking in the UK and the Irish Republic, S. 63.

[4] Vgl. Schäfer, Die Erschließung von Kundenpotentialen durch Cross-Selling, S. 4.

[5] Vgl. ebenda, S. 5.

[6] Vgl. Bauer/Hammerschmidt/Donnevert, Effektivität und Effizienz im interaktiven Marketing, S.62.

[7] Vgl. Schneider, Kundenwertbasierte Effizienzmessung, S. 117.

[8] Vgl. Hartwig, Up- und Cross-Selling, S. 14.

[9] Vgl. Müller, Einsatz von Customer Relationship Management-Systemen, S. 255.

[10] Vgl. Krumm/Geissler, Outbound-Praxis, S. 283.

[11] Vgl. Pohlkamp, Identifikation und Ausschöpfung von Up-Selling-Potenzialen, S. 15.

[12] Vgl. ebenda, S. 15.

[13] Vgl. Eppen, Bundling, S. 10.

[14] Vgl. Cornelsen, Kundenwert mit Referenzwerten, S. 188-189.

[15] Vgl. Roemer, Direktvertrieb kundenindividueller Finanzdienstleistungen, S. 85.

[16] Vgl. Hartwig, Up- und Cross-Selling, S. 14.

[17] Vgl. Jungwirth, Geschäftstreue im Einzelhandel, S. 35.

[18] Vgl. Homburg, Geleitwort in: Schäfer, H., Die Erschließung von Kundenpotentialen durch Cross-Selling, S. V.

[19] Vgl. Krumm/Geissler, Outbound-Praxis, S. 277.

[20] Als Neukunden werden in dieser Arbeit die Kunden bezeichnet, die am POS das Einstiegsprodukt erwerben und aus dieser aufgebauten Kundenbeziehung eine anschließende Up- oder Cross-Selling-Aktion folgt.

[21] Bestandskunden werden in dieser Arbeit als Kunden bezeichnet, die das Einstiegsprodukt bereits erworben haben und aus dieser bestehenden Kundenbeziehung am POS Up- oder Cross-Selling-Produkte angeboten bekommen.

[22] Vgl. Paun, When to Bundle or Unbundle Products, S. 31.

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