Auszug "Schlöndorffs Verfilmung des Romans „Homo Faber“ von Max Frisch – ein Vergleich"

3.4 Motive in Film und Roman

Im Gegensatz zu Frisch, der das emotionale Scheitern seines rational denkenden Protagonisten behandelt, legt Schlöndorff großes Gewicht auf die Entwicklung der Liebesgeschichte zwischen Faber und Sabeth. Dieser Hauptthematik des Films ordnet er Phänomene wie über, die extreme Technik-Faszination Fabers, die im Roman wesentlich stärker hervortritt, über.

Erstellt von Julia8684 vor 8 Jahren
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In Frischs Roman ist die Affinität Fabers zu technischen Errungenschaften ein die Handlung bestimmendes Thema. Frisch kritisiert in seinem Roman die Gefahr der Technik, wenn sie sich als allein bestimmender Faktor etabliert. Im Roman steht dem Motiv der Technik das Motiv der Natur gegenüber. Schlöndorff hat diesen Aspekt der Geschichte auf die Unfähigkeit Fabers, die Natur zu erleben, reduziert. Sein Brief an Ivy macht das deutlich. Er sieht den Aufenthalt in der Wüste nicht als Erlebnis an, es ärgert ihn, nur „sechzig Meilen von der befahrbaren Welt“ entfernt zu sein, und er meint banal, dass es „heiß“ und dass „schönes Wetter“ sei.[1] Was in Schlöndorffs Film fehlt, ist die weit komplexere Bedeutung der Natur für Faber, nämlich die „Natur als Feind“. Ein wesentliches Moment der Vorlage wurde daher nicht transferiert: Der Widerstreit von Technik und Natur wurde reduziert auf den Techniker Faber.

Im Roman spielt das Motiv der Mythologie ebenfalls eine große Rolle. Diese wesentlich bestimmende Handlungsebene entwickelt Schlöndorff sehr stark. Er verweist durch den vielfachen Einsatz bestimmter symbolträchtiger antiker Plastiken und Gemälde im Louvre auf diese Ebene. Der Faber Schlöndorffs vergleicht Sabeth mit diesen Figuren, die für ihn sowohl erotische Reize als auch das Schicksal verkörpern. Eine wesentliche Problematik des Romans ist die der Schuld Fabers. Der Leser wird immer wieder mit der Qual Fabers konfrontiert. Im Film ist dies nur in abgeschwächter Form zu finden. Hier hat es der Zuschauer wegen der modifizierten Erzählhaltung nur an wenigen Stellen mit Kommentaren über den inneren Zustand Fabers zu tun. An diesen Stellen im Film wird zwar deutlich, dass Faber die Ereignisse am liebsten ungeschehen machen würde, jedoch findet sich hier nur andeutungsweise Fabers quälende Schuld wieder, wie sie der Leser des Romans erfährt. Im Roman wird leitmotivisch immer wieder auf die existenzialistische Problematik von Schicksal, Zufall und Fügung eingegangen. Schlöndorff tut dies adäquat zur Vorlage, indem er zum Beispiel mit einigen wenigen Verweisen auf Jean Paul Sartre und andere Existenzialisten als schwarz gekleidete Espressotrinker in Sequenz 22 eingeht. Des Weiteren wird das schicksalhafte Geschehen des Romans auch im Film wiedergegeben: Das Treffen mit Herbert, der Flugzeugabsturz, die Schiffspassage, das Treffen von Sabeth, der beabsichtigte Zufall des Louvre-Besuchs und auch das Zusammentreffen mit Hanna verlaufen fast identisch zum Romangeschehen. Mehrere Aussagen Fabers charakterisieren seinen Versuch, das Geschehen durch Zufall und Wahrscheinlichkeit zu erklären. Sie sind größtenteils aus dem Buch übernommen und verkürzt: Faber spricht etwa von einer „Kette von Zufällen“ nach dem Flugzeugabsturz, und seine Offstimme erklärt über der mystischen Stimmung der nächtlichen Wüste:

„Ich glaube nicht an Fügung und Schicksal, aber ohne diese Notlandung hätte ich wahrscheinlich nie wieder von Hanna gehört. Ich wüßte heute nicht, dass ich Vater bin und vielleicht würde Sabeth noch leben. Es war eine ganze Kette von Zufällen, aber dennoch im Rahmen der Wahrscheinlichkeit.“[2] Das Versagen seines auf Berechenbarkeit ausgelegten Bildes kündigt sich an, wenn Faber von der statistischen Wahrscheinlichkeit spricht, an einem Schlangenbiss zu sterben, und tritt vollends hervor, wenn er sich, wie im Buch, bei Sabeths Alter verrechnet.

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