Bis dass die Ehe uns scheidet
Im Jahr 1998 veröffentlichten John M. Gottman, James Coan, Sybil Carrère und Catherine Swanson die Ergebnisse ihrer Langzeitstudie mit dem Titel „Predicting Marital Happiness and Stability from Newlyweds Interactions” im Journal of Marriage and Family.
Aus der Überschrift lässt sich bereits die Hypothese der Forscher heraus lesen: Die Art wie frisch verheiratete Paare miteinander interagieren ist ausschlaggebend für die Prognose, wie stabil und glücklich deren Ehen verlaufen. Ein Jahr später erschien ein neuer Forschungsbericht in Family Process auf Grundlage dieser Studie von Gottman und Carrèr mit dem Titel, „Predicting Divorce among Newlywed from the First Three Minutes of a Marital Conflict Discussion“. Die Forscher stellten eine weitere Hypothese auf, die ersten drei Minuten eines Streitgesprächs zwischen frisch Verheirateten würden ausreichen um eine mögliche Scheidung vorherzusagen. An der eigentlichen Studie haben 130 frisch verheiratete Paare teilgenommen, die eine gleichmäßige Verteilung der ehelichen Zufriedenheit repräsentierten, nicht länger als sechs Monate verheiratet und kinderlos waren. Die Zufriedenheit wurde mit Hilfe einer telefonischen Variante des MAT (Marital Adjustment Test) gemessen. Die Paare wurden in ein Labor eingeladen und dort aufgefordert über ein alltägliches Problem zu diskutieren. Die Forscher beobachteten nicht nur das Verhalten der Probanden, mit Hilfe von Videokameras, sondern haben auch physiologische Messungen durchgeführt und Fragen zu ihrem Befinden gestellt, nachdem die Paare sich das aufgezeichnete Streitgespräch nochmal angeschaut haben. Außerdem wurden die Paare im Rahmen dieser Studie, in einem Zeitraum von sechs Jahren, jährlich zu ihrem Familienstatus und ihrer Zufriedenheit befragt. Die Beobachtungen, physiologischen Messungen und die Antworten der Ehepaare wurden in einem aufwendigen Kodierungsverfahren analysiert. Auf Grundlage der Analyse stellten die Forscher Prognosen zur Stabilität der Ehen auf und auch zur Zufriedenheit der Paare. Es stellte sich heraus, dass die Forscher tatsächlich in der Lage waren Scheidungen und die Stabilität der Ehe mit einer Wahrscheinlichkeit von 83% vorherzusagen, die Zufriedenheit konnten Sie mit einer 80%igen Wahrscheinlichkeit vorhersagen (s. Gottman et al 1998:5-21). Für diese Vorhersage waren allerdings etliche Faktoren entscheidend, das Kodierungsverfahren jedoch im Detail zu erklären würde den Rahmen dieser Hausarbeit sprengen, daher wird im Folgenden vor allem Bezug auf die Sprache genommen. Gottman schreibt in seinem Forschungsbericht von 1999, das unter anderem die Art und Weise wie Paare die Dinge die sie stören formulieren, ausschlaggebend für die Zufriedenheits- und Trennungsprognose sei (s. Gottman 1999:297). Beginnen Diskussionen mit einem „groben Auftakt“, also mit Kritik, ist davon auszugehen, dass der Streit entsprechend negativ und grob endet (vgl. Gottman & Silver 2000:41). In der Regel beginnen Frauen die Diskussion. Üben sie Kritik löst das bei Männern eine Verteidigungsreaktion aus, wodurch sich die Frau unverstanden fühlt und beide sind frustriert (vgl. Gottman & Carrère 1999:298f). Gottman schlägt daher in seinem Buch „Die 7 Geheimnisse der glücklichen Ehe“ vor, statt Kritik, die den Menschen kritisiert, lieber eine Beschwerde als Ich-Botschaft zu formulieren, die lediglich eine Handlung des Menschen nicht jedoch den Menschen selbst kritisiert (vgl. Gottman & Silver 2000:42;196). Außerdem können Menschen sich nur dann verändern oder ihr Verhalten verändern, wenn sie sich grundsätzlich geliebt und akzeptiert fühlen (s. Gottman & Silver 2000:179). Kritik und Verteidigung bezeichnet Gottman in seinem 1994 erschienenen Buch „What predicts divorce? The relationship between marital processes and marital outcomes.“, als die ersten zwei apokalyptischen Reiter. Insgesamt gibt es vier apokalyptische Reiter: Kritik, Verteidigung, Verachtung und Rückzug (s. Gottman 1994:111) später wurde noch ein fünfter apokalyptischer Reiter hinzugefügt, die Machtdemonstration (s. Gottman et al 1998:6). Diese negativen Verhaltensweisen treten in instabilen Partnerschaften nach und nach auf und lösen Unzufriedenheit und nicht selten eine Trennung aus (vgl. Kast 2006:133ff).