Einfluss der Abtreibungsdiskussion auf die Gesetzgebung

I) Einleitung

Der nachfolgende Essay behandelt das umstrittene Thema der Abtreibung. Die Frage nach der Legalität von Abtreibung wird in vielen Gesellschaften äußerst kontrovers diskutiert.

Erstellt von Passa vor 11 Jahren

Es findet sich ein Spektrum an Meinungen vor, dass von vehementen Abtreibungsgegnern, die oft auch einen religiösen Hintergrund haben und Abtreibung mit Mord gleichsetzen, über gemäßigte Stimmen, die Abtreibung in Ausnahmefällen, wie etwa der Gefährdung der Gesundheit der Mutter, zulassen wollen, bis hin zu liberalen Gruppen reicht, die Abtreibung nahezu uneingeschränkt zulassen wollen. Auch in der Philosophie herrscht keine Einigkeit darüber, wie die Abtreibung moralisch zu bewerten ist.

Es liegt nun am Gesetzgeber, den bestmöglichen Weg zu wählen, diese Problematik gesetzlich zu lösen. Dabei ist es ihm unmöglich, allen Interessens- und Meinungsgruppen gleichermaßen gerecht zu werden, vielmehr muss eine Gesetzeslage geschaffen werden, deren positive Folgen die negativen überwiegen und die zudem möglichst einen Großteil der Bürger zufriedenstellt. Die Probleme und möglichen Lösungswege dieser Gesetzgebung sollen im Folgenden untersucht werden. Dabei werden zunächst die drei großen Positionen bezüglich der Abtreibungsfrage vorgestellt, um im Anschluss die Auswirkungen auf die Gesetzgebung und mögliche Lösungswege vorzustellen.>

II) Hauptteil>

Man kann die Meinungen zum Schwangerschaftsabbruch grob in drei Lager einteilen: die konservative Position, die Abtreibung generell verurteilt, die gemäßigte oder moderate Position, die Abtreibung unter bestimmten Umständen oder bis zu einem gewissen Zeitpunkt für vertretbar hält und das liberale Lager, das den Schwangerschaftsabbruch nahezu uneingeschränkt legalisieren möchte.>

Die konservative Position möchte jeglichen Schwangerschaftsabbruch verhindern und unter Strafe stellen. Ein häufiges Argument von Vertretern dieses Lagers ist, dass schon der Embryo ein menschliches Wesen ist und daher ein Töten des Embryos unrecht und Mord wäre. Aus den Prämissen, dass es unrecht ist, ein unschuldiges menschliches Wesen zu töten, und das ein menschlicher Fötus ein solches unschuldiges menschliches Wesen darstellt, wird gefolgert, dass es daher unrecht sei, einen menschlichen Fötus zu töten. Es wird betont, dass die Entwicklung des Embryos ein kontinuierlicher Prozess ist und sich von dem Eisprung bis zur Geburt keine moralisch relevante Grenze finden lässt, die es erlauben würde, ein Wesen mit Lebensrecht von einem ohne Lebensrecht zu unterscheiden.1 >

(...)

Liberale Vertreter sprechen sich dagegen für eine nahezu unbegrenzte Freigabe des Schwangerschaftsabbruchs aus. Hierbei widersprechen sie in der Regel den grundlegenden Annahmen der Konservativen. Da sich für eine moralische relevante Trennlinie während der Schwangerschaft kaum schlagkräftige Argumente finden lassen, greifen sie die konservativen Thesen an anderen Stellen an. >

Auch können liberale Vertreter den Status des Fötus als unschuldiges menschliches Wesen akzeptieren und dennoch für eine Legalisierung der Abtreibung eintreten. Entweder argumentieren sie, dass ein Verbot von Schwangerschaftsabbruch dazu führen würde, dass sich viele Frauen ihre Embryos auf illegale, unkontrollierte und dadurch für die Beteiligten sehr gefährliche Weise entfernen lassen würden. Hierbei wird nicht das Unrecht der Abtreibung bestritten, sondern behauptet, dass ein vom Staat kontrolliertes und begrenztes Erlaubnis des Schwangerschaftsabbruchs mehr gute Folgen hätte, als ein striktes Verbot. Oder es wird behauptet, dass Abtreibung überhaupt kein Fall für die Gesetzgebung sei. Es handele sich um ein sogenanntes Verbrechen ohne Opfer, gehöre in den Bereich von Ethik und Moral, aber nicht in den Einflussbereich des Gesetzes. Zuletzt betonen einige Abtreibungsbefürworter das hohe Recht der Frau, frei über ihren Körper verfügen zu dürfen. Auch hier kann dem Embryo der Status als unschuldiges Menschenwesen zugestanden werden, das Recht der werdenden Mutter wird jedoch höher gewertet.3 Peter Singer, dessen Werk "Praktische Ethik" die Grundlage dieses Essays darstellt, sieht jedoch keines dieser Argumente als wirklich überzeugend an. Dagegen versucht er zu bestreiten, dass dem Fötus ein besonders hoher Wert zuzusprechen sei.4 Embryos seien in ihren moralisch bedeutsamen Eigenschaften nicht weiter entwickelt als Kühe, Schweine oder, im frühen Stadium, auch Hühner oder Fische. Selbst Neugeborene würden über ein geringeres Maß an (Selbst-)bewusstsein verfügen, als einige Säugetiere. Da wir diese Tiere aber ohne moralische Bedenken in großen Mengen täglich schlachten, wäre die Prämisse der Abtreibungsgegner, dass es unrecht sei, unschuldige menschliche Wesen zu töten, hinfällig. Denn Singer sieht keinen moralisch relevanten Unterschied zwischen dem Töten eines Embryos und dem einer Kuh. Allein der Verweis auf die Artzugehörigkeit genügt ihm nicht, hierbei würde es sich um Speziesismus handeln. Auch der konservative Einwand, dass potentiell menschliche Wesen zu schützen sein, überzeugt ihn nicht. Potential an sich würde keine bedeutende moralische Rolle spielen, ansonsten wäre beispielsweise auch die Verhütung ähnlich wie die Abtreibung zu behandeln und zu verurteilen.>

Die in den meisten Rechtsordnungen vorzufindende Regelung der Abtreibung lässt sich der moderaten Position zuordnen. Hierbei wird sich meist auf eine Zäsur festgelegt, bis zu der eine Abtreibung erlaubt sein sollte, die aber, wie schon gezeigt wurde, nur schwer zu begründen ist. Daher finden sich auch selbst innerhalb der moderaten Strömung verschiedene Zeitgrenzen. Vertreter dieser Zäsursetzung sehen die Befruchtung noch nicht als Lebensbeginn an, weshalb für sie ein Abbruch bis zu einer bestimmten Frist vertretbar erscheint. Den Zeitpunkt der Geburt sehen sie aber, im Gegensatz zu liberalen Stimmen, als zu späte Grenze für eine Abtreibung an. Einige moderate Positionen fordern zudem, dass bestimmte Abtreibungsgründe, wie Behinderung des Kindes, Zeugung durch Vergewaltigung o.ä. vorliegen müssen. Somit ist die moderate Position einerseits ein gemäßigter Kompromiss zwischen den beiden Extremen der Liberalen und Konservativen, hat aber andererseits das sogenannte Kontinuumproblem und die Schwierigkeit, die Zäsursetzung überzeugend zu begründen.5>

Es ist umstritten, inwieweit sich moralische und ethische Vorstellungen einer Gesellschaft in der Gesetzgebung widerspiegeln sollen. Ziel der Gesetze ist es nämlich nicht, den Bürgern ein ethisch korrektes Verhalten aufzuzwängen, sondern vielmehr einen Rahmen zu schaffen, in dem ein friedliches und gutes Zusammenleben möglich ist.6 Zweifellos finden sich dennoch viele grundlegende ethische Vorstellungen in den Gesetzen wieder. Hierbei handelt es sich meist um einen Grundstock an Idealen und Normen, die in der Gesellschaft nahezu unumstritten sind. Dazu zählen etwa das Tötungsverbot, Recht auf Eigentum und dessen Schutz sowie ein ausreichendes Maß an persönlicher Freiheit. Darüber hinaus gibt es aber eine Vielzahl an Vorschriften, die ethisch irrelevant sind, sowie moralische Prinzipien, die in der Gesetzgebung nicht auftauchen. Denn zum einen lassen sich nicht alle moralischen Sätze in Gesetzen abbilden, zum anderen sind viele von ihnen auch äußerst umstritten. >

Dennoch werden bei der Gesetzgebung neben vielen anderen Aspekten auch philosophische Überlegungen zurate gezogen. Und dies wird auch in einem nicht unerheblichen Maße bei der Frage nach der Legalität von Schwangerschaftsabbruch der Fall sein. >

(...) >

In Deutschland war der Schwangerschaftsabbruch in den 70er- und 80er-Jahren auch ein Thema von hoher gesellschaftlicher Brisanz. Nach einer Neuregelung infolge vehementer Proteste ist es aber ein von der breiten Masse akzeptiertes Gesetz. Der Paragraph §218 untersagt die Abtreibung bei Strafandrohung von einer Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren. Dieses Gesetz ist aber recht wirkungslos, da im Zusatz §218a weitreichende Ausnahmesituationen genannt werden, unter denen der Abbruch dennoch erlaubt ist. Dafür darf der Fötus jedoch nicht älter als 12 Wochen sein, der Abbruch muss von einem Arzt vorgenommen werden und die werdende Mutter muss sich mindestens drei Tage vor dem Eingriff beraten lassen. Faktisch ist es Frauen also in der BRD erlaubt, ihr Kind bis zum 3. Monat von einem Arzt abtreiben zu lassen, wenn sie vorher eine Beratung in Anspruch genommen haben. Mit dieser Regelung wird versucht einen Mittelweg zu finden, zwischen dem Schutz eines ungeborenen menschlichen Wesens und der Freiheit der Mutter. Der Gesetzgeber zieht dabei meist eine Grenze, deren Existenz in vielen philosophischen Überlegungen bestritten wird: die Grenze, wo das befruchtete Ei, beziehungsweise der Zellklumpen ohne eigene Rechte zum menschlichen Wesen mit dem Recht auf die Unversehrtheit des Lebens wird. Es ist, wie auch Singer deutlich zeigt, nicht möglich die Ziehung einer solchen Grenze plausibel zu begründen. Doch der Gesetzgeber muss sie festlegen, um den Schwangerschaftsabbruch legitimieren zu können. Denn falls er schon das befruchtete Ei als menschliches Wesen deklarieren würde, würde er bei jeder Freigabe von Abtreibung faktisch Mord, bzw. Tötung eines Menschen, legalisieren. Falls er erst dem geborenen Kind die Personenrechte zuspricht, ist es schwer zu begründen, warum ein Abbruch nicht auch noch im 8. oder 9. Monat erlaubt sein sollte. Die Rechtfertigung einer solchen Linie ist schwierig und wird ohne Widersprüche auch kaum möglich sein. Doch trotzdem liegt hier die Chance, dem Gesetz eine medizinische und ethische Begründung zu geben. Unter Rückgriff auf medizinisches Wissen kann man begründen, warum man die Abtreibung bis zum 3. Monat nicht unter Strafe stellt. Zwar ändert sich das Wissen über die Entwicklung des Embryos ständig und es herrscht Uneinigkeit darüber, wie die Entwicklungsstufen medizinisch und moralisch zu bewerten sind, doch trotzdem ist es dem Gesetzgeber so möglich, eine vollkommen willkürliche Grenzziehung zu vermeiden. Diese Zäsur wird zwar keiner strengen Untersuchung auf eine plausible Begründung standhalten können. Doch eine moderate Gesetzgebung kommt um eine solche Einteilung der Schwangerschaft nicht umher. >

Weitere Rechtfertigungen sind dem Gesetzgeber möglich, wenn er auf die Werte verweist, die er schützen möchte. So kann in Deutschland das Abtreibungsrecht verteidigt werden, indem man betont, dass die Freiheit der einzelnen Personen, in diesem Fall der Mütter, einen sehr hohen Stellenwert haben und es damit zu einem gewissen Teil in ihrer eigenen Verantwortung und Freiheit liegt, was mit ihrem Körper geschieht. Falls der Staat ein striktes Abtreibungsverbot erlässt, kann er dies damit begründen, dass menschliches, auch ungeborenes, Leben unter allen Umständen geschützt werden müsse. Generell wird ein Gesetzgeber weniger Probleme damit haben, eine radikale Verordnung zu begründen. Bei einem Verbot verweist er auf den Schutz des menschlichen Lebens, bei einer weitreichenden Freigabe von Abtreibung auf das Recht der Frau auf ihren eigenen Körper. Die moderate Linie, mit der mehr oder minder willkürlichen Zeitgrenze ist da weitaus schwieriger widerspruchslos zu begründen. Jedoch ist es diese moderate Gesetzgebung, die sich vermutlich am besten mit der Diversität der westlichen modernen Gesellschaft vereinbaren lässt. >

Die Frage nach der Rechtmäßigkeit des Schwangerschaftsabbruchs ist sowohl in juristischen, als auch in philosophischen Kreisen umstritten. Da viele Werte in der Beurteilung gegeneinander aufgewogen werden müssen, findet sich ein breites Spektrum an Meinungen. Dies hat natürlich auch auf die Gesetzgebung Einfluss, die versuchen muss, im Sinne des Bürgers, die bestmögliche Lösung zu finden. Dies scheint in der westlichen Gesellschaft die moderate Position zu sein. Trotz aller Schwierigkeiten der plausiblen Begründung vereinigt sie wohl am besten die Werte der persönlichen Freiheit und des Schutzes von ungeborenen Leben. Eine Ideallösung scheint es in dieser Frage ohnehin nicht zu geben, da die Ansichten in der Gesellschaft dafür zu weit auseinanderliegen. Mit einer zeitlich begrenzten Erlaubnis zur Abtreibung, unter der Auflage ein Beratungsgespräch in Anspruch zu nehmen, wird versucht die Persönlichkeitsrechte der Frau mit dem Schutz von menschlichen Wesen in Einklang zu bringen. Bei der Rechtfertigung bereiter vor allem die Festsetzung der Zäsur Schwierigkeiten, da sie sich weder moralisch noch medizinisch widerspruchsfrei begründen lässt. Doch das primäre Ziel eines Gesetzes muss es sein, das Zusammenleben in der Gesellschaft bestmöglich zu regulieren, eine lückenlose Begründung sollte dabei erst an zweiter Stelle stehen.>

Kindl, Manfred: Philosophische Bewertungsmöglichkeiten der Abtreibung, i.d.R. Philosophische Schriften, Bd. 18, Berlin: Dunker & Humblot, 1996.>

Hoerster, Norbert: Abtreibung im säkularen Staat. Argumente gegen den § 218, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1991.>

Singer, Peter: Praktische Ethik, Kapitel 6: Leben nehmen. Der Embryo und der Fötus. (entnommen: >>Kursgruppe auf >>>>>www.iversity.org)>>>>

http://www.spiegel.de/politik/ausland/us-wahl-obama-und-romney-im-kandidatencheck-a-860036.html, entommen am 18.10.2012.>>>

1Singer: Praktische Ethik, S. 181.

2ebd, S. 198 f.

3Singer: Praktische Ethik, S. 186 ff.

4ebd., S. 195 ff.

5Kindl: Philosophische Bewertungsmöglichkeiten der Abtreibung, S. 76 f.

6Kindl: Philosophische Bewegungsmöglichkeiten der Abtreibung, S. 158 ff.

7http://www.spiegel.de/politik/ausland/us-wahl-obama-und-romney-im-kandidatencheck-a-860036.html

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