Einleitung zur Hausarbeit "Der Präsident der Europäischen Kommission und die demokratische Entwicklung seit dem Vertrag von Lissabon"
„Eine funktionierende Demokratie lebt von der aktiven Mitwirkung ihrer Bürgerinnen und Bürger.“1 Bei diesem einfachen Grundsatz hat die Europäische Union in vielen Bereichen noch Nachholbedarf. Kritiker und Gegner der EU betonten die mangelnde demokratische Legitimierung vieler hochrangiger europäischer Amtsträger sowie die dadurch prinzipiell vorhandene unzureichende Demokratie auf EU-Ebene. Diesen Kritikpunkten soll der Vertrag von Lissabon entgegenwirken. Er hat das Ziel, Demokratie, Transparenz und Effektivität in der Europäischen Union zu verbessern und zu fördern.2Aus der Sicht von Angela Merkel ist das gelungen. „Mit dem Vertrag von Lissabon wurde ein neues Kapitel der europäischen Geschichte aufgeschlagen“, schrieb die deutsche Bundeskanzlerin im November 2009. „Die Mühen haben sich gelohnt. Denn der Vertrag von Lissabon macht die Europäische Union nach außen stärker und selbstständiger und nach innen demokratischer. Die Union ist damit für die neuen Herausforderungen der zunehmend globalisierten Welt besser gerüstet.“3Eines der neuen Mittel, um die EU demokratischer zu gestalten, ist die indirekte Wahl des Präsidenten der Europäischen Kommission durch die Bürger der EU-Mitgliedsstaaten. Ursprünglich suchten die Mitglieder des Europäischen Rats hinter sprichwörtlich verschlossenen Türen einen Kandidaten aus. Der Prozess galt als intransparent, da die Bevölkerung der EU-Mitgliedsstaaten keinerlei Einfluss darauf hatte. Der amtierende Kommissionspräsident José Manuel Barroso ist der letzte, der nach diesem Prinzip gewählt wurde.Der Vertrag von Lissabon sieht vor, dass zukünftig das Ergebnis der Wahl zum Europäischen Parlament bei der Auswahl des Präsidentschaftskandidaten eine Rolle spielt.4 Dadurch soll ein demokratisch legitimierter Kandidat das Amt erhalten. Durch das neue Verfahren wird der Präsident jedoch nicht direkt gewählt. Auf nationaler Ebene ist ein ähnliches Vorgehen bereits bekannt: In Deutschland wählen die Bürger beispielsweise den Bundeskanzler beziehungsweise die Bundeskanzlerin indirekt.Der Vertrag von Lissabon trat am 1. Dezember 2009 in Kraft5, weswegen die Wahl zum Europäischen Parlament 2014 die erste Europa-Wahl war, bei der er zur Geltung kam. Das machte sich beispielsweise dadurch bemerkbar, dass die größeren Parteien erstmals Spitzenkandidaten ernannten, die das Amt des Kommissionspräsidenten übernehmen wollten. Im Wahlkampf zeigten sich dadurch ebenfalls Neuerungen. Die Spitzenkandidaten traten gegeneinander bei mehreren TV-Duellen an, was bisher nur auf nationaler, nicht jedoch europäischer Ebene üblich war.Im vergangenen Jahr veröffentlichte die Europäische Kommission ein Dokument, in dem sie die wichtigsten Gründe zusammenfasste, warum die Parteien Spitzenkandidaten in ihren Wahlkampf einbinden sollten. Die Kommission erwartete eine erhöhte Wahlbeteiligung, weil sich die EU-Bürger bei der Stimmabgabe an den Kandidaten und den mit ihnen verbundenen politischen Programmen orientieren könnten. Die Kommission sah darin eine Erhöhung der Legitimierung des Kommissionspräsidenten im Speziellen und der EU-Entscheidungsprozesse im Allgemeinen.6 Gestaltet also der Vertrag von Lissabon die Wahl des Präsidenten der Europäischen Kommission demokratischer und transparenter? Die vorliegende Arbeit untersucht, inwiefern das generell und speziell im Fall der Europa-Wahl 2014 zutrifft.1 Kost, Andreas: Direkte Demokratie. 2. Auflage. Wiesbaden 2013, S. 9.2 Vgl. http://www.bpb.de/internationales/europa/europaeische-union/43000/grafik-lissabonner-vertrag, Stand: 28.07.2014.3 Piris, Jean-Claude: The Lisbon Treaty. A Legal and Political Analysis. Cambridge 2010, S. XIV.4 Vgl. http://www.politische-bildung-brandenburg.de/node/7307, Stand: 28.07.2014.5 Vgl. http://www.bpb.de/internationales/europa/europaeische-union/43000/grafik-lissabonner-vertrag, Stand: 28.07.2014.6 Vgl. http://ec.europa.eu/justice/citizen/document/files/com_2013_126_en.pdf, Stand: 31.07.2014.