Fazit meiner Hausarbeit ,,Die literarische Form des Fragments als Inkarnation der theoretisch-philosophischen Überlegungen des Novalis"

Die Ergebnisse der Analysearbeit zeigen deutlich, dass die von Novalis geforderte Romantisierung der Welt keineswegs mit Eskapismus und Esoterik in Verbindung zu bringen ist. Vielmehr verfolgt er ein differenziertes und klar umrissenes Ziel, das er mit einer konkreten Methodik verfolgt, was sich auch an seiner mathematischen Ausdrucksweise, die gewiss nicht dem Zufall geschuldet ist, erkennen lässt.[1]

Erstellt von nm2015 vor 9 Jahren

Überdies konnte gezeigt werden, dass sich das Prinzip des Romantisierens in kleiner Form auch im Fragment ausmachen lässt. Denn in Einklang mit der Mikroebene der Kunstform des Fragments ist auch die Makroebene der romantischen Dichtung, die sich als ,progressive Universalpoesie' versteht, eine durch regulative Ideen geleitete Kunst in einem andauernden Prozess. Dieses Bewusstsein von der Progressivität von Kunst und Denken ist insofern als hochmodern zu erachten, als dass die Romantik sich als Epoche mit offener Zukunft und als überbietbar begreift.[2] Frühromantisch gesprochen, liegt das Signum der Moderne in ihrer unendlichen Perfektibilität, das letzten Endes auch dem Fragment zugrunde liegt. Statt Glaubenswahrheiten zu verkünden, sollen Texte Köder und Anreiz zur Selbsttätigkeit des Lesers sein. Dafür steht dem Autor die Methode de Poesie zur Verfügung.[3] Das Fragment zirkuliert, wie von Novalis gefordert, zwischen Autor und Leser im Sinne einer ,Hin- und her Direction'[4] und markiert damit die Schnittstelle des Chiasmus, die zwischen dem Prozess des Lesens und dem des Schreibens entsteht. Es bleibt jedoch offen und lässt sich nie vollkommen entschlüsseln. Genau darin begründet sich seine Lebendigkeit und seine Fähigkeit zu einem System anzuwachsen, sowie seine, durch das Vervollkommnungsziel bedingte, Affinität zum Absoluten und letzten Endes auch zur Epoche der Romantik. Dem Charakteristikum der Unabgeschlossenheit verdankt die Form des Fragment letzten Endes auch seine Ähnlichkeit zu anderen literarischen Formen frühromantischer Poesie. Die Form des Fragments könnte demnach als Versuch gesehen werden, die Bürde der auferlegten Endlichkeit mit der angestrebten Unendlichkeit in Beziehung zu bringen.

In diesem Zusammenhang ist noch auf eine Notiz Hardenbergs hinzuweisen, in der er darüber nachsinnt, in welcher Form er Schlegel brieflich ein Bruchstück aus seiner Enzyklopädistik vortragen will. Dies soll, so überlegt er ,,so romantisch, als möglich“ geschehen. Zur Auswahl steht unter anderem die Form des Fragments.[5] Ergo war sich Novalis über die in dieser Arbeit herausgearbeiteten Eigenschafte und Vorzüge des Fragments bewusst, sodass er nicht zuletzt das Fragment zur literarischen Form par excellence im Romantisierungsprozess erhob.

[1]Zu Novalis mathematischer Ausdrucksweise siehe Pikulik, Frühromantik, S. 219f.

[2]Vgl. Uerlings, Blüthenstaub Rezeption u. Wirkung, S. 10f und vgl. Pikulik, Frühromantik, S.17.

[3]Vgl. Müller, Der Dichter als Mittler, S. 79.

[4]Autor als Leser/Leser als Autor

[5]So heißt es: ,,Soll es eine Recherche (oder Essai), eine Sammlung Fragmente […] ein Monolog oder Bruchstück eines Dialogs etc. werden ? (Novalis: Schriften Bd. 3, S. 277f.)

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