Ihr braucht einen Schreiber? - Gesucht, gefunden

Erstellt von Hansson vor 9 Jahren

Wer sich, so wie ich jetzt, als freier Schreiberling vorstellen möchte, hat nicht wirklich gut lachen. Was schreibt man da? Wie macht man sich bei potenziellen Kunden möglichst beliebt, ohne ihre Zeit zu vergeuden oder sie - Gott bewahre - zu langweilen?


Deshalb mache ich es kurz: ich lebe vom Schreiben, ich kann schreiben und ich will schreiben. Punkt. Das tue ich auf einer Insel im Golf von Thailand. Ich bin wohl ein sogenannter digitaler Nomade, wie das im Neusprech heißt. Und als kleine Leseprobe füge ich ein paar kritische Gedanken zum digitalen Nomandentum hier nun an. Wobei das ein privater Text ist, professionell schreiben kann ich aber auch. (Zwinkersmiley).

Viel Spaß!

Digital Nomad

Digital Nomad – was für ein beschissenes Wort. Ein Nomade ist einer, der keine Adresse hat. Verdient man sein Geld aber im Internet, hat man immer mindestens eine Adresse. Und die fängt immer gleich an: http und so weiter. Gut, ich weiß ja, was gemeint ist – das sind die Typen, die sich frei bewegen können, solange sie einen Laptop und einen halbwegs funktionierenden Internetzugang haben. Trotzdem versprechen die Wörter digitaler und Nomade weit mehr Romantik, als letztendlich dahinter steckt.

Vom Internet zu leben, hat ja nichts mit Magie zu tun. Das ist auch nur ein Markt…und auf Märkten fließt Geld. Es ist, zugegeben, ein relativ neuer Markt und deshalb kommen sich alle besonders schlau vor, die es schaffen, davon leben zu können, wenn sie einen kleinen Bruchteil des Geldes, welches auf diesem Markt fließt, in die eigenen Taschen kanalisieren zu können. Das ist aber keine Hexerei, sondern Arbeit in einem ziemlich pervertierten kapitalistischen System. Hier gibt es eigentlich keine Regeln mehr und die Allgemeinheit hat überhaupt nichts davon. Von dem Geld, das die digitalen Nomaden verdienen, fließt nichts in irgendwelche Sozialkassen, kein Hartz-4 Empfänger hat davon auch nur eine Klischee-Dose Bier mehr am Tag. Dafür haben sie ja jetzt die Herd-Prämie. Und sozial geht anders und Hippie sein auch.

Die Frage, die man sich stellen muss, ist, ob man sich überhaupt noch zur Gemeinschaft dazu zählen will oder ob man ihr die breitgewandete Arschseite zeigt. ´Die Gesellschaft kann mich doch am Arsch lecken´ und so weiter. Wer sich frei nennen will und gleichzeitig die Gesellschaftspolitik kritisiert und die Welt verändern will, indem er oder sie Blogs über irgendwelche tollen Reisen schreibt und sich das auch noch als digitaler Nomade finanziert und gleichzeitig trotzdem noch über die Gesundheitskassen krankenversichert ist oder zur Geldbeschaffung in eben dieses System zurückkehrt, wenn der digitale Geldfluss unterbrochen wird, hat einfach nicht ganz verstanden, was ein Nomade überhaupt ist, wie gesagt, ob digital oder analog – ein Nomade ist frei, vollkommen und die meiste Zeit auch ziemlich allein und ohne Schutz und Sicherheitsgurt. Was ein Nomade garantiert nicht ist, ist krankenversichert.

Digital Nomad – das ist ein sehr hochtrabendes Wort für einen völlig neuen Berufszweig, der im Kern vollkommen asozial ist. Das muss man sich auch mal bewusst machen, bevor man ein digitaler Nomade werden will. Das hat nichts mit Glamour und Weltreisen zu tun, im Grunde ist man als Digital Nomad ein Gesellschaftsverweigerer. Das ist ja auch gut so, immer her damit, es kann gar nicht genug von denen geben, die der Gesellschaft den Stinkefinger zeigen. Aber dann muss man auch die Eier in der Hose haben, nicht mehr auf die Privilegien zurückzugreifen, die ein Pass und eine Staatsbürgerschaft einem per Geburtsrecht geben. Will man wirklich frei sein, ist man auch frei von Privilegien und nicht nur ohne vollgefurzte Bürostühle und Steuererklärungen. Ein Schlangenbiss reicht dann, wenn man am anderen Ende der Welt als digitaler Nomade frei sein will – ohne Krankenversicherung und ohne Rücklagen behandelt einen da nämlich keiner, nur weil man so schön frei ist. Ein Hartzer wird nicht an einem unbehandelten Schlangenbiss sterben – wahre Nomaden aber schon. Das taten sie schon immer.

Es ist schön, so frei zu sein, dass man leben und machen kann, wo und was man will. Wenn man nicht reich geboren ist oder Drogen im großen Stil verkauft, ist das Internet bestimmt eine gute Lösung – solange es noch funktioniert. Aber sich romantisierend als Nomade zu bezeichnen, ist doch leicht entrückt. Es ist auch nur eine Einnahmequelle. Wenn man oder frau diese Einnahmen dann nutzt, um der Gesellschaft den Rücken zu kehren und Wasserfälle und Meeresglühen in Thailand oder den Bürgerkrieg in Syrien zu bestaunen, anstatt sich im Hamsterrad der gesellschaftlichen Konventionen und Video-Totalüberwachung gefangen lassen zu nehmen von einem System, welches bestimmt nichts Gutes im Schilde führt, dann ist das ein Schritt in die absolut richtige Richtung. Wer dann aber zu Papa Staat rennt und Mutti um eine Gemüsesuppe bittet, wenn ihm oder ihr der Fuß abfault, weil ihn oder sie eine Schlange gebissen hat, hat das noch gar nicht verstanden – es gibt keine Sicherheiten mehr. Und schon gar keine Gemüsesuppe, wenn man sie sich nicht selber kocht. Ein Nomade aber kann immer und überall kochen, auch mit Schlangenbiss. Und ein Nomade ist immer auch bereit, jetzt und hier zu sterben – aber in Freiheit und ohne krankenversichert zu sein.

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