Kap. 7: Das Urteil des Bundessozialgericht vom 23.06.2016 (Az.: B 14 AS 46/15 R) (Auszug aus meiner wissenschaftlichen Arbeit)
Die vorinstanzlichen Verfahren werden nicht, bzw. nur im sehr geringem Umfang angesprochen. Diese betreffen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig (Az.: S 17 AS 4284/13) und dies des sächsischen Landessozialgericht (Az.: L 8 AS 780/14). Im Wesentlichen wurde der Sachverhalt bereits in der Einleitung zusammengefasst, wird jedoch für das bessere Verständnis noch einmal aufgegriffen. Geklagt hatte eine am 12.01.1951 geborene Versicherte, nachdem das Jobcenter diese aufgefordert hatte, vorzeitige Altersrente mit Abschlägen zu beantragen. Nachdem die Versicherte dieser Mitwirkung nicht nachgekommen ist, hat das beklagte Jobcenter im Namen der Versicherten (§ 5 Abs. 3 SGB II) mit Schreiben vom 04.12.2013 einen solchen Antrag bei der Deutschen Rentenversicherung gestellt.
Das Sozialgericht im erstinstanzlichen Verfahren hat die Bescheide vom 29.07.2013 (Aufforderung zur Beantragung einer vorgezogenen Altersrente) und 21.10.2013 (Erinnerung bzw. erneute Aufforderung vom 29.07.2013) in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.12.2013 aufgehoben, soweit die klagende Versicherte zu einer Rentenantragsstellung vor dem 01.02.2014 aufgefordert werde; im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Die folglich eingelegte Berufung hat das Landessozialgericht mit Urteil vom 29.04.2015 zurückgewiesen. Das LSG hat bestätigt, dass die Klägerin verpflichtet ist, einen Antrag auf eine vorzeitige Altersrente zu stellen. Es liege kein atypischer Fall im Sinne der Unbilligkeitsverordnung vor. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine solche Aufforderung bestehen nicht.
Hier ist zu hinterfragen, ob das sächsische LSG mit seinem Urteil nicht schon eine allgemeine Feststellung treffen wollte, dass eine solche Aufforderung nicht gegen die Grundrechte eines entsprechenden Leistungsempfängers verstößt. Indiziell kann gesagt werden, dass eine solche Festlegung sinnvoll wäre, da die Klagen gegen SGB II Leistungsbescheide unverändert hoch sind (Klagebestand Oktober 2016: 188.833). Noch anhängige, oder zukünftige Klagen könnten so verkürzt bzw. vermindert werden.
Aufgrund des zeitlichen Umfanges einer Klage vor dem Sozialgericht bis hin zu einer Entscheidung des BSG, kam es bereits zur Bewilligung einer Altersrente ab 01.02.2014 durch die Deutsche Rentenversicherung. Gegen diesen Bescheid hat die Versicherte Widerspruch eingelegt und mit Zurückweißung dieses Widerspruches Klage erhoben.
Das BSG hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen und somit das LSG in seiner getroffenen Entscheidung bestätigt.
Das BSG hat die formelle und materielle Rechtmäßigkeit der Aufforderung zur Rentenantragsstellung anerkannt. Wie sich bereits aus dem Wortlaut der jeweiligen Gesetzestexte ergibt, ist die Klägerin verpflichtet vorgezogene Altersrente zu beantragen, wenn dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung ihrer Hilfebedürftigkeit beiträgt. Es ist nicht erforderlich, dass die Inanspruchnahme einer anderen Sozialleistung die Hilfebedürftigkeit gänzlich entfallen ließe. Vielmehr genügt es, wenn die Dauer einer Hilfebedürftigkeit verkürzt bzw. begrenzt oder der Höhe nach vermindert wird (vgl. dazu auch BSG Urteil und Rechtssprechnung vom 19.08.2015 – B 14 AS 1/15 R). Im Falle unserer Versicherten, führt die Inanspruchnahme einer –auch verminderten Altersrente- gem. § 7 Abs. 4 S. 1 SGB II zur Beseitigung der Hilfebedürftigkeit. Es ist also unerheblich, in welcher Höhe die Leistung der Deutschen Rentenversicherung ausfällt, es ist nur von Bedeutung, dass eine solche bewilligt werden könnte und mit diesem Leistungsbezug die Versicherte keine Leistungen nach dem SGB II mehr beansprucht.
Auch die vom Jobcenter geforderte Antragsstellung als solches-, ist rechtmäßig, da eine Rente aus eigener Versicherung gem. § 99 Abs. 1 SGB VI nur auf Antrag geleistet wird. In der weiteren Urteilsbegründung greift das BSG verschiedene Sachverhalte auf. Unter anderem wird auf die im Punkt 6 erläuterte Unbilligkeitsverordnung eingegangen, die Ermessensausübung des Jobcenters betrachtet und die Auswirkungen des Rentenbezuges im Hinblick auf einen SGB XII Leistungsanspruch erläutert. Aufgrund festgelegten Umfanges dieser Seminararbeit, wird auf die weitere Urteilsbegründung nicht näher eingegangen. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass eine Aufforderung zur Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente höchstrichterlich bestätigt worden ist (im Klageverlauf wurde die Verfassungsmäßigkeit einer solchen Aufforderung bejaht). Es ist davon auszugehen, dass sich an dieser Praxis der Jobcenter in Zukunft keine Änderung ergeben wird. Es ist unerheblich, ob durch den Verlust der Rentenabschläge bei vorzeitiger Inanspruchnahme ein SGB XII Leistungsanspruch entsteht. Jedoch ist festzuhalten, dass im vorliegenden Falle der Klägerin, ein Leistungsanspruch nach dem SGB XII im Anschluss an die Rentengewährung, in jedem Fall bestanden hätte.
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