Kommentar zum amerikanischen Wahlkampf 2016

Erstellt von MonaLinke vor 8 Jahren
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16.11.2016

Die Kehrseite der Medaille:

Wenn Medien die Politik in eine Schlammschlacht verwandeln

Amerika, kurz vor den zurückliegenden US-Wahlen: CBS, NBC, CNN und Co. stürzen sich auf die im Jahr 2005 veröffentlichten Skandalvideos, in denen der republikanische Kandidat Donald Trump mit frauenfeindlichen Äußerungen schockt – vermeintlich. Denn trotz herber Vorwürfe vonseiten der „Lügenpresse“, wie Trump sie selbst nennt, konnten weder Skandale noch entlarvende Faktenchecks der US-Medien der Beliebtheit Trumps bei seinen Wählern einen Abbruch tun. Trump präsentierte sich durchweg als Gegner der angeblich parteiischen „Mainstream-Medien“, dennoch setzte der künftige Präsident während seines Wahlkampfs auf soziale Netzwerke wie Twitter. 12 Millionen Follower bestätigten ihn in seiner Wahl des geeigneten Mediums.

Zu jetzigem Zeitpunkt beschäftigt uns nicht nur die Frage, welche Auswirkungen die Amtszeit des ehemaligen Reality-Stars auf den Rest der Welt, speziell auf Europa haben wird. Es stellt sich ebenso die Frage nach dem „Wieso“. Wie konnte es einem politisch völlig unerfahrenen, kritikunempfänglichen, radikalen Populisten gelingen, sich in einer fortschrittlichen, durchweg globalisierten westlichen Welt durchzusetzen?

Die vielseits beschworene politische Unfähigkeit seiner demokratischen Konkurrentin außen vor gelassen, legen viele Experten die Vermutung nahe, gerade jene fortschrittlich vernetzte, digitalisierte Welt könne Trump den Wahlsieg eingespielt haben – oder zumindest einen großen Anteil an seinem Erfolg gehabt haben.

Thematisiert wurde die Bedeutung der Medien im Rahmen des US-Wahlkampfs bereits wenige Stunden vor der Wahlnacht: im Talk bei Markus Lanz am Abend des 08. Novembers 2016.

Nachdem der ehemalige New Yorker Wirtschaftskorrespondent, aktueller Spiegel-Redakteur Buchautor und Verfasser der Kolumne „Schwarzer Kanal“ auf seinen Artikel vom 25.07.16 zurückgriff und auf das infantile Wesen Trumps einging, thematisierte der Talkshow-Moderator erstmals die Rolle der Medien im Rahmen des US-Wahlkampfs.

Ob das ständige „Verächtlichmachen“ Trumps nicht ein Fehler sei, der letztendlich dazu führe, dass sich noch mehr Wähler mit dem lächerlich gemachten Kandidaten solidarisieren würden? Nicht nur der Trubel rund um den Wahlkampf war in den USA tagtäglich und auf allen Kanälen präsent – gleichzeitig begannen seriöse, auflagenstarke Medien früh damit, sich zu positionieren – und zwar auf der Seite von Clinton. Keineswegs, weil man die demokratische Konkurrentin für eine durchweg fähige Präsidentschaftskandidatin hielt, sondern viel mehr, weil sie für den Wähler eine Chance darstellte, Trump zu verhindern.

Jan Fleischhauer bestätigt die Befürchtung des Moderators, ein frühes Eingreifen und das vehemente Einnehmen einer Gegenposition vonseiten der Medien könnten schließlich eine gegenteilige Wirkung herbeiführen Man müsse sich nicht wundern, wenn der Frust in der Bevölkerung durch eine derartige Berichterstattung gesteigert würde, so Fleischhauer.

In unseren Augen, aus der europäischen Perspektive gesehen hat sich Trump mit überstürzten Twitter-Meldungen selbst ins Knie geschossen, sein Image ruiniert. Jedoch sind wir nicht in der Lage, in die Köpfe der amerikanischen Wähler zu schauen. Durchaus berechtigt sind viele Forderungen nach einem wirtschaftlichen und sozialen Gleichgewicht innerhalb der amerikanischen Gesellschaft.

Menschen, die sich aufgrund finanzieller Engpässe, Ratlosigkeit und Hilflosigkeit in die Enge getrieben fühlen, finden in Trump den Mann, der ihre Ängste und Befürchtungen vermeintlich teilt. Einen Mann, der von vielen als Außenseiter abgegrenzt, verächtlich gemacht und ausgelacht wird. Mit diesem Mann, habe er nun ein strategisch aufgebautes Parteiprogramm oder nicht – identifiziert sich eine Gesellschaft, die sich vom Rest der Politik unverstanden fühlt.

Vergleicht man die gesellschaftliche Lage in den USA – die, die Trumps Wahlsieg letztendlich herbeiführte – mit der politischen Lage in Deutschland, den überraschenden Erfolgen der AfD bei den vergangenen Landtagswahlen, sind dabei zweifellos Parallelen zu erkennen.

Nicht nur in den USA, ebenso in Deutschland erweckt es derzeit den Anschein, als mangle es an der richtigen Kommunikation zwischen Politiker und Bürger. Einen von Emotionen geleiteten, enttäuschten Neuwähler interessiert wenig, wie die Grundsatzprogramme von CDU und SPD im Einzelnen aussehen – in einigen Fällen auch nicht, dass rechtspopulistische Parteien wie die AfD noch nicht einmal über so etwas wie ein Parteiprogramm verfügen.

In Sachen Kommunikation befindet sich die Politik gewissermaßen in einer Zwickmühle – auf welchem Wege sollen Informationen verbreitet werden, und auf welchem Niveau soll die Kommunikation zwischen Partei und potenziellem Wähler stattfinden?

Von politischer Kommunikation kann bei Rechtspopulisten wohl kaum die Rede sein. Radikal, laut und möglichst polarisierend sollte die Ansprache des Bürgers im besten Fall sein, um sich von der Masse abzuheben und den Wähler zu erreichen.

Digitale Medien, speziell die sozialen Netzwerke, erschweren dem seriösen Politiker in der heutigen Zeit eine zivilisierte Kommunikation mit seinem potenziellen Wählerkreis.

Finanzexpertin Sandra Navidi sprach sich innerhalb der Talkrunde unter anderem entschieden dagegen aus, der Bevölkerung im Falle finanzpolitischer, wirtschaftlicher Themen „einfache Kost“ zu servieren. Der Kabarettist Sebastian Pufpaff hingegen hält diese Art der Kommunikation für die einzige Möglichkeit, den Wähler aufzufangen.

Motivieren, skandalisieren und popularisieren – das kann Trump, und das konnten bereits andere vor ihm. Welch gravierenden Einfluss ein populistisches, radikales Auftreten noch immer auf einen großen Teil der Bevölkerung nehmen kann, hat der US-Wahlkampf deutlich vor Augen geführt. Eines jedoch haben wir 2016 so erlebt, wie nie zuvor: die ungreifbare Macht der Medien, wie sie unsere Gesellschaft heute dominieren und auch in Zukunft noch dominieren werden. Anlass genug, das Wahlergebnis als Warnung, als Fehltritt zu nehmen, aus dem es zu lernen gilt.

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