Lungenemphysem aufgrund Alpha-1-Antitrypsin-Mangel – immer noch zu spät erkannt
Sie wird autosomal-rezessiv vererbt, führt bereits im jungen Alter zu einem panlobulären Lungenemphysem oder zu Lebererkrankungen – und wird immer noch oft zu spät diagnostiziert: Die Erbkrankheit Alpha-1-Antitrypsin-Mangel, oder kurz: Alpha-1. Allein in Deutschland wird die Zahl der Betroffenen auf 8.000 -12.000 geschätzt.
Und obwohl die Krankheit bereits vor rund 50 Jahren entdeckt wurde, ist sie immer noch weitestgehend unbekannt. So wird bei rund 90 % der Patienten der Gendefekt viel zu spät – oder gar nicht – erkannt.
Die Alveolen sind besonders betroffen
Das Protein wird in den Hepatozyten synthetisiert und wird anschließend in den Blutkreislauf sezerniert. Zielorgan ist vorwiegend die Lunge. Dort inhibiert Alpha-1-Antitrypsin bei Immunreaktionen die neutrophile Elastase, welche Granulozyten zur Abwehr und Lyse von bakteriellen Erregern abgeben. Da die Elastase nicht zwischen körperfremd und körpereigen unterscheidet, schützt das Alpha-1-Antitrypsin gesunde Zellen als potenter Protease-Inhibitor vor der Zersetzung. In den Lungen der Alpha-1-Patienten fehlt diese protektive Funktion. Denn: Bei der für Alpha-1 typischen Z-Mutation entsteht in den Hepatozyten ein Alpha-1-Antitrypsin mit defekter Tertiärstruktur. Dieses bildet dort Polymere, welche im rauen endoplasmatischen Retikulum der Hepatozyten verbleiben und nicht ins Blut gelangen können. Infolgedessen ist das Lungengewebe der Patienten nur unzureichend vor der neutrophilen Elastase geschützt. Letztere zersetzt deshalb bei jeder Immunreaktion nicht nur die Erreger, sondern die fragilen Alveolen. Die Erkrankung verläuft progredient. Immer mehr gesundes Lungengewebe wird von der neutrophilen Elastase zerstört. So entwickeln Patienten bereits in jungen Jahren – das heißt zwischen ihrem 30sten und 40sten Lebensjahr – erste Anzeichen eines panlobulären Lungenemphysems. Schlimmstenfalls kann im Verlauf nur noch eine Lungentransplantation das Leben des Betroffenen retten.
Wichtig: Jeden COPD-Patienten einmalig testen!
Und oft vergehen etliche Jahre, bis Alpha-1-Patienten richtig diagnostiziert werden, denn lediglich die COPD wird erkannt und entsprechend therapiert. So wird der Patient an den Ursachen seiner Erkrankung vorbei therapiert. Deshalb empfehlen die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie, jeden COPD-Patienten einmal im Leben auf einen möglichen Alpha-1-Antitrypsin-Mangel zu testen. Hierfür kann ein einfacher Bluttest – vom Hausarzt oder einem niedergelassenen Facharzt - vorgenommen werden, wobei die Serum-Konzentration des Alpha-1-Antitrypsins ermittelt wird. Wird ein reduzierter Wert gemessen, bedarf dies der näheren diagnostischen Abklärung. Im Alpha-1-Zentrallabor der Universitätsklinik Marburg kann eine exakte Genotypsierung (mittels AlphaKit®) vorgenommen werden. Denn es existieren mehrere Mutationen, die zu einem Alpha-1-Antitrypsin-Mangel führen. Die in Deutschland häufigste Mutation ist die so genannte Z-Mutation, abgekürzt Pi*Z (Punktmutation). Homozygote Träger erkranken mit hoher Wahrscheinlichkeit an Lunge oder Leber. An beiden Organen zugleich ist zwar ebenso möglich, jedoch sehr selten.
Auch die Leber kann betroffen sein
An der Leber manifestiert sich die Erkrankung meist im frühen Kindesalter, in der Jugend oder etwa ab dem 50sten Lebensjahr in Form von Leberzirrhose. Solche Patienten haben auch ein signifikant erhöhtes Risiko für ein Leberzellkarzinom. Der Grund dafür: Genetisch verändertes Alpha-1-Antitrypsin verfügt über eine veränderte Proteinstruktur. Infolgedessen polymerisiert das Protein in den Leberzellen und bildet dort unlösliche Polymere. Diese führen zur Leberzellschädigung und langfristig zu einer Leberzirrhose. Das Fortschreiten der Krankheit verlangsamen Jedoch, wenn der Gendefekt frühzeitig erkannt und mit einer entsprechenden Therapie begonnen wird, lässt sich der Krankheitsverlauf deutlich verlangsamen und die Lebensqualität des Patienten maximieren. Dazu gehört für rauchende Patienten der rigorose Rauchstopp, eine gesunde,ausgewogene Ernährung, regelmäßiger (Lungen-)Sport und Atemübungen. Medikamentös wird der Alpha-1-Antitrypsin-Mangel je nach Schweregrad wie eine COPD leitliniengerecht behandelt.
Bei Patienten mit schwerem Alpha−1−Protease−Inhibitor−Mangel (< 35% des Normwertes), mittelgradiger Lungenfunktionseinschränkung (30% Soll < FEV1 < 65% Soll) und/oder ausgeprägter jährlicher Reduktion der FEV1 (Verlust FEV1/Jahr > 50 ml) ist eine sogenannte Substitutionstherapie indiziert. Dabei bekommt der Patient einmal die Woche das fehlende Alpha-1-Antitrypsin per Infusion zugeführt. Diese kann den Verlust der Lungenfunktion deutlich verlangsamen.