"Out of Water I am nothing" - Wellenreiten wo andere Sherry trinken. Zu Gast im A-Frame Surf Camp.
„Out of water I am nothing“, sagte der unerschrockene Wellenreiter Duke Kahanamoku einmal und sprach stellvertretend für Generationen von Menschen, die einen großen Teil ihrer Lebenszeit damit verbrachten, den Wellen das Fürchten zu lernen. Vergebens…
Vor mir steht Arne, Menschgewordener Wasser- und Landsmann.Ein einschlägiger Norddeutscher Akzent sorgt ad hoc für Sympathie. Um seine Beine wirbelt aufgeweckt der Nachwuchs, Kathrin, seine eben so freundliche Wasserfrau, hält die Bälger in Schach, während hinter mir die Brandung ein ums andere mal auf den Strand knallt und den Puls des nahen Meeres vorgibt. Es ist Ende Januar. Bis an das Ende Europas, nach Andalusien bin ich gereist, um Vitamin D zu tanken. Über uns der Sonnenball, nackt, in seiner ganzen Pracht.
In Arnes Augen spiegelt sich die saubere Waagerechte des Horizontes und das leuchtende Blau des nahen Atlantiks, während er mir die Vorzüge dieses Erdenfleckes aufzählt.
Seit einer Woche gastiere ich bei der A-Frame Familie, einer Surf und Yogaschule in El Palmar, an der andalusischen Atlantikküste. Zum Rhythmus von Tag und Nacht gesellen sich hier die Gezeiten des Atlantiks. Und es leuchtet ein, dass der Mensch sich hier nach dem Meere richtet, so wie die See sich nach den Gezeiten des Mondes und den Tiefdruckgebieten richtet.
Der blaue Riese unmittelbar vor der Haustür hat mich im Schwitzkasten, lockt mich täglich noch vor Morgengrauen aus dem Bett, zwingt mich vor dem Frühstück zur ersten Taufe, um mich am gleichen Tag noch zwei weitere male zu weihen. Der verlorene Sohn kehrt heim, in den endlos blauen Uterus. Die 4mm Neoprenhaut sorgt für angenehme Wärme und macht die morgendlichen Strapazen erträglich. Von der Matratze bis zur Brandungslinie dürften es nicht mehr als 200 m Luftlinie sein. Durch den Frühnebel beißt sich die Bettwärme noch an meinen Waden fest. Sobald die erste Brandung meine Fußgelenke umspült, ist aber auch die letzte Glut gelöscht, ein Aufbäumen ist vergebens und nun gibt der Atlantik die Temperatur vor. Und für Januar ist das Wasser erstaunlich milde temperiert.
Ich würde meinen Gastgebern Unrecht tun, wenn ich das A-Frame als bloßes Surfcamp deklassiere. Die Surfinstruktoren spielen Schach, sind engagierte Weltverbesserer und stets um das Wohlbefinden der Gäste bemüht. Hier muss man kein Morgenlied im Camp T-Shirt singen und der Sonnengruß im eigenen Yogapavillon ist auch freiwillig. Die Unterkünfte sind aus echtem Stein, ein Unwetter würde sich hier die Zähne ausbeißen. Keine Zelte die aus den Baumkronen der Pinienbäume gefischt werden müssen.
Weit und breit keine Spätpubertierenden, was den Aufenthalt maximal angenehm macht. Wir essen zusammen, der großartige Koch Javi versorgt uns drei mal täglich mit Nachtisch, als gäbe es täglich das letzte Abendmal, die Körper danken und halten noch eine Stunde länger zwischen den Wellenbergen aus.
Den ausgestrecktem Arm Arnes folgend, wandert mein Blick Richtung Süden: „Da ist Marokko, Afrika ist gleich um die Ecke.“ „Sevilla und Cádiz sind nicht weit, wenn der Surf mal flach ist, gibt es viel zu tun.“ Im Hinterland andalusische Hochkultur, die Wiege des Flamenco vor der Haustür. Da gibt es stolze andalusische Pferde zu sehen, die zu Korken knallenden Sherry Flaschen, einer Flamenco tanzenden Gitana gleich, anmutig Choreografien laufen. Zwischen Afrika, der Strasse von Gibraltar und Sevilla eingeklemmt, lebt es sich auch auf dem Festland nicht schlecht. Dann ist da noch Cádiz, ein paar Kilometer die Küste hinauf, mit 3000 Jahren Stadtgeschichte eine der ältesten Städte Europas, ein verkanntes Juwel. Eine ganze Stadt auf einer Landzunge im Atlantik, als wollte sie sich vom Rest des Kontinentes lösen und sich zu den Kanaren gesellen, um von dort mit Kuba anbändeln. Allemal sehenswert.
Seit 2005 stehen die Häuser in El Palmar, das Meer war stark, zu stark und die Gegend und der Landstrich ist noch immer dünn besiedelt und die Strände die meiste Zeit des Jahres über leer. Es ist wahrlich keine Niederlage, den Andalusischen Sirenen zu folgen, heimischen Gefilden den Rücken zu kehren, um erneut an der Waterkant die Zelte aufzuschlagen, wie es Kathrin und Arne getan haben.
Auch außerhalb des Wassers bemühen sich hier alle Mensch zu sein. Am Ende der Strasse, in El Palmar, hat man ein Gleichgewicht gefunden. Doch Kahanamoku behält Recht, ohne das Wasser wären wir hier alle nicht wer wir sind und würden wie gestrandete Fische unbeholfen dem sicheren Ende entgegen zappeln.
.