Referenztext: Textauszug aus „Metaphorik in Heideggers Sein und Zeit“ unveröffentlicht

Schon kurz nach seiner Veröffentlichung hat Sein und Zeit, wie vielleicht kein weiteres Buch des 20. Jahrhunderts, eine äußerst große philosophische Erregung hervorgerufen.

Erstellt von Calico Jack vor 10 Jahren

Georg Misch schreibt - hierauf bezugnehmend - in seinem 1930 erschienenen Buch Lebensphilosophie und Phänomenologie: „Dieses Buch [Sein und Zeit] [hat] eingeschlagen wie der Blitz.“[1] Die Analysen des Man, der Verfallenheit, der Geworfenheit usw., die einen großen Anteil an der Faszination ausmachten und ausmachen, sind von großer und eindringlicher Prägnanz. Sie lassen eine Unmittelbarkeit und Lebendigkeit aufscheinen, die von der klassischen Universitätsphilosophie so nicht geleistet worden ist. In Sein und Zeit geht es nicht um logische Spitzfindigkeiten oder um die dem Leben (scheinbar) fernliegende Begründung der Naturwissenschaft, sondern die „Lebendigkeit soll wieder in ihr Recht“[2] eingesetzt werden. Wie nun aber das Leben von Zweideutigkeit geprägt ist, so müssen die es beschreibenden Termini ebenfalls von einer Zweideutigkeit geprägt sein. Georg Misch bemerkt denn auch, dass „die maßgebenden Begriffe zuweilen etwas Schillerndes haben: eine ‚Doppelbödigkeit’ der ganzen Stellung scheint sich darin zu verraten.“[3]

Die aus fundamentalontologischer Perspektive das menschliche Leben beschreibenden Existenzialien, die „schillernden Begriffe“, können durchaus als Metaphern oder genauer als absolute Metaphern im Sinne Blumenbergs verstanden werden.[4] Zur Erläuterung dieses Terminus unterscheidet Blumenberg zwischen Metaphern, die Grundbestände bilden und solchen, die Restbestände sind. Restbestände sind diejenigen Metaphern, die durch Begriffe ersetzt werden können; sie dienen lediglich zur Erläuterung abstrakter Sachverhalte. Die metaphorischen Grundbestände hingegen, d.h. die absoluten Metaphern, haben eine völlig andere Funktion in philosophischen Texten: durch sie können „Welthypothesen“[5] erstellt werden, die dazu dienen, die materiale Einheit unserer Erfahrung zu gewährleisten. Mir erscheint dieser Begriff zur Charakterisierung absoluter Metaphern etwas zu eng. Sie sind nicht nur Welthypothesen, sondern (in Anlehnung an Kants Totalitätsbegriffe) „Totalitätshypothesen“. Zwar können diese Totalitätshypothesen nicht aufgrund einer unabhängigen Erfahrungsinstanz überprüft werden, jedoch beschreiben sie die lebensweltlichen Bedürfnisse derjenigen, die sie benutzen, zu deren Zufriedenheit.

[1] Georg Misch, Lebensphilosophie und Phänomenologie, Darmstadt 1967, S. 1.

[2] Ebd. S. 3

[3] Ebd.

[4] Hans Blumenberg, Paradigmen zu einer Metaphorologie; Frankfurt 1998.

[5] Diesen Begriff übernehme ich von Christian Strub: Kalkulierte Absurditäten; Freiburg, München 1991, S. 466.

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