Soziale Netzwerke

Soziale Kontakte Anno Dazumal

Als Mensch, der in den 70er und 80er Jahren Kind sein durfte, habe ich das große Glück, echte Freundschaften, wahre soziale Kontakte nicht nur aus den Erzählungen meiner Vorfahren zu kennen.

Erstellt von FederLesenMeer vor 9 Jahren

Damals trafen wir uns mit den besten Freunden zum Verstecken spielen, Räuber & Gendarm war cool, mit Klingelmäuschen brachten wir die Nachbarschaft gegen uns auf und um den Mädchen zu gefallen, ließen sich die Jungs dazu herab, Reiterhof zu spielen. Nach der Schule, gerade vor der Haustüre von der Schulfreundin oder dem Schulfreund getrennt, hingen wir schon wieder am Telefon, um Hausaufgaben zu besprechen oder einen Treffpunkt zum Spielen zu verabreden. Ab der 5. Klasse gab es eine Einrichtung namens „PenFriends – Brieffreunde aus aller Welt“, zu der wir uns anmelden konnten. In der Folge erhielt jeder maximal drei Kontaktdaten, mit denen wir dann mehr oder weniger intensive und teilweise über Jahre, Brieffreundschaften pflegten. Unsere Geschichtslehrerin engagierte sich sehr in Indien und entfachte auch in uns, die Leidenschaft sozialen Engagements über die eigenen Landesgrenzen hinaus. Und natürlich waren wir alle dabei, als 1981 ca. 300.000 Menschen in Bonn gegen den Nato-Doppelbeschluss und für den Frieden demonstrierten.


Soziale Kontakte Heute


Die Zeiten verändern sich und mit ihr rast der technologische Fortschritt. Heute spielen wir via Smartphone und schubsen Bonbons über das Display oder gewinnen Schlachten am Monitor. Wer Arbeit hat, hat unter Umständen wenig Zeit für ein reales Treffen mit Freunden, so dass soziale Kontakte weitestgehend über soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter, Google+, Xing, Linkedin, Tumblr, Instagram, Pinterest & Co. gepflegt werden. Die Brieffreundschaften von damals sind längst eingeschlafen und eMail, SMS und MMS haben den Postkartengruß, den liebevoll mit Füller und Tinte geschriebenen Brief nahezu verdrängt. Das Leben findet Online statt. Vom Aufstehen bis zum Gute-Nacht-Gebet wird das Leben mit „Freunden“ geteilt, der Öffentlichkeit offenbart – ob es sie nun interessiert oder nicht. Zwar sind wir immer noch sozial engagiert, doch begrenzt sich das teilweise auf das Unterzeichnen von Online-Petitionen oder Spenden via Online-Banking. An Demonstrationen nehmen wir immer noch teil, wenn es die Zeit zulässt. Ansonsten beschränken wir uns auf die Unterstützung mittels Facebook und Twitter, teilen Artikel, machen unserem Unmut durch eigene Statusbeiträge Luft. Wir sind 7 Tage die Woche, 24 Stunden am Tag erreichbar, wenn nicht sogar verfügbar und viele sehnen sich zurück nach den alten Zeiten, nach dem stundenlangen Telefonat mit der besten Freundin und den liebevoll gestalteten Brief, der schon auf Grund der Handschrift nicht einfach zu überfliegen ist.

Zurück zu den Wurzeln?

Das Leben hat durch die Prominenz der Technologie schon einen sklavenhaften Charakter erhalten. Wie abhängig ein jeder von uns ist, bemerkt er spätestens dann, wenn die DSL-Leitung streikt oder der Strom ausfällt. Wer nun beschließt, zurück zu den Wurzeln zu gehen, die Datenleitung bewusst zu kappen, zumindest in einigen wesentlichen Punkten sein Online-Verhalten zu ändern und sich wieder mehr dem realen Leben und den realen Menschen zu widmen, stellt fest, dass das gar nicht so einfach ist. Der Weg raus aus sozialen Netzwerke, der Weg zurück ins Leben ohne Statusbeiträge, Likes, KatzenContent und ShitStorm ist ein reiner Irrweg. Während wir uns mit zwei Klicks einen Account anlegen können, brauchen wir gefühlte Zweihundert um das Konto zu löschen – so das überhaupt geht. Die Anbieter wetteifern untereinander mit ständig steigenden Userzahlen, darum darf zwar gestorben, aber nicht beerdigt werden. So kehren wir vielleicht dem Medium den Rücken, um zurück zu den Wurzeln zu gehen – enden aber doch als Karteileiche.

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