Was ist ein schlaues Zuhause ?
Wie jeden Montag fährt Daniel früh am Morgen von seinem Heimatort Nürnberg zum über 300km entfernten Zweitwohnsitz in der Nähe seiner Arbeitsstelle. Dort plant er auch die Woche zu verbringen. Noch mitten auf der Autobahn aber erreicht ihn ein unangenehmer Anruf:
Ein Nachbar hat zufällig den Rauchmelder in seiner Nürnberger Wohnung gehört! Daniel hat den Milchtopf auf der eingeschalteten Herdplatte stehen lassen. Zum Glück traf der Hausmeister mit dem Zweitschlüssel rechtzeitig ein und verhinderte das Schlimmste.
Trotzdem muss Daniel natürlich zurück nach Nürnberg, verliert einen Arbeitstag und es stehen vielleicht noch Reparaturmaßnahmen an, wenn sich der Geruch nach verbrannter Milch nicht von selbst verflüchtigt.
Weitaus gravierender aber sind die seelischen Schäden für den Fernpendler: das mulmige Gefühl im Bauch weil grundsätzlich mindestens ein Haushalt unbewacht bleiben muss hat sich verwandelt in massive Angst bis hin zur Panik.
Gefahr droht ja nicht nur durch eigene Fehler. Kürzlich hat die Polizeigewerkschaft Alarm geschlagen: die Wohnungseinbrüche in Deutschland nehmen zu. Nur jeder siebte Fall wird aufgeklärt.
Von Seiten der Gewerkschaft wird deshalb gefordert, mehr in Anlagen zur Sicherung des privaten Heimes zu investieren. So zum Beispiel für Videoüberwachung
Was Pendlern wie Daniel oder anderen Betroffenen helfen und gleichzeitig die Forderungen von Polizei kreisen erfüllen könnte firmiert seit einigen Jahren unter dem Begriff „Smart Home“.
Das Konzept des schlauen Heims beschäftigt mittlerweile Forschungsinstitute, Energieversorger, Kommunikations-Unternehmen und seit 2012 ein „Smart Home + Building Zertifizierungsprogramm“ unter Mitwirkung mehrerer Verbände und Firmen mit Unterstützung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie.
Eine intelligente Anlage könnte z.B. Rauch- und Bewegungsmelder oder Sensoren an Türen und Fenstern direkt mit Feuerwehr oder Polizei verbinden. Und natürlich auch mit dem Smartphone eines Bewohners. Damit würde Daniel dann auch den Herd oder andere elektrische Geräte per SMS oder App überprüfen und notfalls ausschalten.
Ein Vorläufer des Smart-Home war die „intelligente Haus- und Gebäudetechnik“, wie es die die Macher des Zertifizierungsprogramms für Smart-Home formulieren.
In einer Werkstatt für geistig Behinderte zum Beispiel erhielten die Betreuer ständige Kontrolle über Fenster, Türen, Jalousien und Beleuchtung, Heizung und Lüftung aller Räume. Dies geschieht mit Hilfe von Touch-Panels an den Wänden welche nur Berechtigte aktivieren können. Die Panels sind per Kabel elektrisch versorgt und mit den Sensoren und Aktoren über sogenannte SCADA-Server vernetzt. Je ein Server überwacht und steuert die Signale pro Stockwerk und tauscht Informationen und Befehle mit anderen Servern aus.
Natürlich ist eine solche Technik nicht nur zuverlässig, sondern auch sehr aufwendig und kostspielig, weshalb Privathaushalte zunächst nicht als Abnehmer im Vordergrund der Gebäudetechnik standen.
In den Vereinigten Staaten Bereits existierte der Begriff Smart House bereits 1984. Jedoch war die Vermarktung dieser Technik zunächst ebenfalls nicht erfolgreich. Erst als das Smartphone den Markt erobert hat wurde auch der Begriff Smart-Home allmählich populär.
Ein Mobiltelefon mit Internet-Anschluss bedeutet für Privatleute keine zusätzliche Ausgaben. Daniel zum Beispiel könnte insbesondere ein einziges Smartphone als Fernbedienung für beide Wohnungen nutzen.
Die aufwendige Verkabelung wird bei den meisten aktuellen Anbietern von Smart-Home Anlagen ersetzt durch WLAN - oder anderweitig funkfähige Sensoren oder Schalter, welche sich mit einem zentralen Steuergerät verbinden. Dieses stellt dann auch die Brücke ins Netz der Netze her. So entsteht ein schnell verfügbares, kostengünstiges und modulares Angebot für private Haushalte.
Neben der Sicherheit soll das schlaue Heim auch viele weitere Annehmlichkeiten bieten: Energie-Effizienz durch ferngesteuerte Heizungen. Oder Bequemlichkeit: Lampen, TV, Audio, Jalousien usw. lassen sich vom Sofa aus steuern.
Sogar gegen die Folgen der demografischen Umwälzung verspricht Smart-Home Abhilfe: Die intelligenten Geräte selbst oder auch Betreuer per Remote-Zugriff können der wachsenden Zahl an Senioren möglichst lange ein selbstbestimmtes Leben in den eigenen vier Wänden ermöglichen.
Auch medizinische Daten und Geräte können vernetzt werden etwa zur Kontrolle von Blutzucker oder Blutdruck.
Spätestens an dieser Stelle entstehen bei vielen Menschen auch Zweifel an der neuen gepriesenen Technologie. Das ist zum einen schon immer so gewesen und muss nicht viel besagen.
Andererseits sind gerade im Zusammenhang mit dem Smart-Home Sicherheitslücken von Experten nachgewiesen worden wie sie prinzipiell schon vom Smartphone her bekannt sind.
Hacker können in das Netz eindringen und die Kontrolle übernehmen. Aus dem Schrecken für Diebe wird deren Helfer: Bewegungsmelder liefern zuverlässige Hinweise bezüglich der Abwesenheit der Bewohner.
Die finanzielle Motivation beim Einsatz von professioneller Gebäudetechnik– wie etwa in obigem Beispiel der Behindertenwerkstatt – steckt nicht zuletzt auch in der Einsparung von Personal und bietet damit Potenzial für ausreichend Investitionen in zuverlässige Geräte und Steuerprogramme.
Der Zwang zum Sparen bei Smart-Home Anlagen provoziert hingegen den Einsatz von unzureichender Elektronik oder Software.
Ob die Geräte im Dauerbetrieb tatsächlich so zuverlässig sind wie sie versprechen ist erst noch zu beweisen. Ausfälle sind aber zu erwarten. Dadurch drohen Unannehmlichkeiten, Fehlalarme oder der Wegfall von berechtigten Warnungen.
Die Zertifizierungs-Offensive steht erst am Anfang. Kunden können beim Kauf noch nicht erkennen welches Produkt sicher ist und welches nicht.
Neben der Technik sollten auch Aspekte wie Service, Garantie und auch Haftung bei Schäden durch Fehler besser berücksichtigt werden. Der Gesetzgeber müsste auch hier verbindliche Rahmenbedingungen schaffen.
Grundsätzlich sollte für private Nutzer erst einmal die Devise gelten: Nicht (nur) das Heim, auch die Bewohner müssen schlau sein. Neue Technik sollte eingesetzt werden so viel wie nötig, aber so wenig wie möglich.